Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
Stützbalken, der daraufhin einen Knacks bekam und sich bedrohlich zur Seite neigte. Das Dach über unseren Köpfen knirschte.
»Was tust du denn da?«, schrie Ennyd mich an. »Willst du uns lebendig begraben, oder was?«
» Ich bin mir da nicht mehr so sicher, wer hier auf wessen Seite ist«, erwiderte ich düster.
» Ich auch nicht, wenn du so weiter machst!« Das Phantom drängte sich an mir vorbei, um zu sehen, was ich entdeckt hatte. »Was ist das?« Er wollte sich schon bücken, um das in Leder eingewickelte Kleinod aufzulesen, als ich blitzschnell seinen Arm packte.
» Fass es an und du bist tot.«
» Jetzt entspann dich mal«, sagte Ennyd eindringlich. »Ihr Dämonen müsst es immer gleich übertreiben. Hat sie es hier zurückgelassen?«
» Ja«, antwortete ich kurz angebunden und zwang mich, ihn wieder freizugeben. Nur unter größter Anstrengung gelang es mir, meine Finger einen nach dem anderen von ihm zu lösen und dann einen Schritt zurückzutreten.
Meine Nerven lagen blank.
»Darf ich es nun aufheben?«
Ich nickte schwach und fühlte mich jämmerlich.
Er lächelte und nahm das Päckchen in die Hand. Drehte es hin und her, bis er es von allen Seiten genauestens unter die Lupe genommen hatte. Dann reichte er es mir.
» Bitteschön, ist an dich.« Er grinste boshaft.
Schreckerfüllt wich ich ein wenig zurück.
Ehe ich mir aber sicher war, mir nicht nur eingebildet zu haben, was ich sehen wollte, gewahrte ich seine ausgestreckte Hand, die er mir bereitwillig entgegenstreckte und die täuschend echt zitterte. »Nimm schon«, sagte er und wirkte dabei wehrlos wie ein Unschuldslamm, dass ich kaum glauben konnte, dass ich mich nicht wirklich verguckt hatte.
Ich riss ihm den Lederbeutel aus der Hand und kam mir dabei vor, als wäre ich der Böse. Kaum hatte ich das Beutelchen berührt, begann meine Haut an den entsprechenden Stellen zu brennen.
» Gift?«, sinnierte ich und betrachtete erstaunt meine verätzte und Blasen verwerfende Haut, die sich mir schmerzhaft von den Knochen schälte. Ich biss die Zähne zusammen und ignorierte die Verletzungen, knotete das Bündel auseinander und förderte ein Messer zu Tage.
Vlains Messer, wie mir mit einem Schlag bewusst wurde.
Ich drängte meine schlimmsten Befürchtungen bei Seite und strich das Leder glatt, in dessen Innenseite eine Nachricht geschrieben worden war. Bevor ich diese jedoch las, stach mir die Perle ins Auge. Glitzernd. Durchsichtig. Eindeutig das fehlende Kleinod.
Mit steigender Übelkeit las ich den Brief.
An A.
Ich wollte dich wissen lassen, dass ich V. in meiner Gewalt habe. Solltest du Interesse daran haben, ihn lebend wiederzusehen, würde ich dir zunächst einmal raten, mit niemandem über diese Nachricht zu sprechen.
Wie du bereits vermutet hast, habe ich Lakaien rekrutiert – was zugegebenermaßen nicht sonderlich schwierig war, nachdem ich dir ebenfalls ein Angebot gemacht habe. Da du allerdings weder jemand bist, der aus freien Stücken Verrat übt, noch einer, der sich durch wohlüberlegte Intrigen und Lügen dazu verleiten lässt, habe ich mir eine effektivere Methode überlegt, dich zur Mitarbeit zu zwingen.
Das ist der offizielle Teil.
Die Vorraussetzungen: Wie du siehst, habe ich dir die Perle zugeschickt. Diese dient dazu, den anderen eine glaubwürdige Geschichte zu erzählen. (Und bitte, bitte, stell dich dabei nicht so dumm an.) Du wirst ihnen Folgendes berichten. Offiziell hast du dieses Schreiben von V. erhalten, der dir in aller Kürze mitteilt, dass er es geschafft hat, mir die Perle zu stehlen und sie euch auf diesem Wege zukommen lässt, da er nicht von hier fort kann, ohne meinen Argwohn zu wecken. Außerdem schreibt er, dass er den Ort der Quelle entdeckt hat (ich habe ihn tatsächlich entdeckt, aber darauf gehe ich später ein) und er lässt euch eine Skizze des Terrains zukommen (auf der Rückseite, aber wie gesagt, gedulde dich), die euch helfen wird, uns zu finden. Er teilt euch außerdem mit, dass er euch auf einer Lichtung, umgeben von hohen, schneebedeckten Tannen erwarten wird, um dort wieder zu euch zu stoßen. Danach würdet ihr den Rest des Weges gemeinsam zurücklegen.
Nun, der inoffizielle.
Deine Aufgabe: Meine Aufgabe für dich besteht darin, dir C.’s vollkommenes Vertrauen zu erschwindeln, d.h. sie weiterhin zu beschützen. Da ich die anderen eurer kleinen Gruppe ebenso manipuliert habe wie nun dich, wirst du der Einzige sein, der bis zum Ende zu
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