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Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)

Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)

Titel: Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marnie Schaefers
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erfassen, doch ich konnte – nach dem, was ich gelesen hatte – sehr gut nachvollziehen, weshalb Liwy diese Vorsicht walten ließ.
    Gleichzeitig erstaunte es mich und versetzte mir einen tiefen Stich zugleich, dass sie hierfür gerade die Mundart verwendete, mit der wir beide gleichermaßen aufgewachsen waren. Damals war dies die weit verbreitete Verständigungsart der städtischen Unterschichten Lhapatas gewesen. Und wenngleich ich anders als sie, nicht in die Arbeiterklasse hineingeboren worden war, so war mir diese Form des (Alt-)Elenyrischen selbstverständlich geläufig; wobei man hier vielleicht anmerken sollte, dass es seinerzeit höchst prekär anmutete, diesen Gossenslang als Adeliger in den Mund zu nehmen.
    So oder so gewährleistete sie hiermit, dass es niemandem außer mir möglich war, ihre Nachricht zu entschlüsseln.
    Ich starrte noch eine Weile unschlüssig auf den Brief. Die widersprüchlichsten Gefühle tobten in meinem Inneren und ließen mich schier verzweifeln. Ich konnte kaum glauben, dass ich nicht bitterlich träumte. Dass dies hier kein übler Scherz war.
    Da kam mir ein Gedanke.
    Mit undeutbarer Miene griff ich nach Vlains Messer, prüfte routiniert die Schärfe der Klinge und schlitzte mir kurzerhand der Länge nach den Unterarm auf. Mechanisch ertränkte ich das Stück Leder in meinem eigenen Blut, bis kein einziger Buchstabe mehr zu lesen war, und tat dasselbe mit der Rückseite, die Sekunden später schwarze Linien aufwies, die nach und nach die Form eines Gebirgskammes annahmen.
    Ich blickte auf.
    Ennyd schien weder sonderlich überrascht noch erschrocken ob meiner augenscheinlich völligen Taubheit jeglichen Schmerzes gegenüber. Nicht einmal das viele Blut schaffte es, den Mann aus der Fassung zu bringen, was eigentlich nicht richtig zu ihm passte. Stattdessen wirkte er eher etwas enttäuscht, als hätte er etwas Eindrucksvolleres erwartet.
    Er fragte nicht, was in dem Brief stand.
    Entgegen seiner sonstigen Angewohnheiten übte er sich in Schweigen.
    Als hätte er es im Gefühl, dass ich hinter sein Geheimnis gekommen war. Als wäre er erleichtert, die Fassade endlich fallen zu lassen.
    Völlig ruhig, fast gelangweilt faltete Ennyd die Hände vor dem Bauch und trat einen Schritt zurück. Dann wandte er sich ab und schlich zu seinem eigenen Lager hinüber, wo er ein Gläschen mit kleinen, dunklen Perlen vorfand und neugierig musterte. Sobald er meinen Blick bemerkte, ließ er das Zeug in seinem Jackett verschwinden und schmunzelte.
    » Jetzt sind wir also wieder auf derselben Seite?«
    Ich erwiderte nichts. Zog vorsichtig, um die bereits frisch verheilte Haut nicht unnötig zu reizen, meinen Ärmel nach unten und wischte die Klinge von Vlains Messer an meiner Hose ab.
    »Sind wir nicht«, sagte ich dann. »Du kannst dir sicher denken, dass ich nichts lieber täte, als dir bei lebendigem Leibe die Haut abzuziehen.«
    » Welch ein Jammer, dass du das nicht tun kannst, ohne das Wohl deines ebenso launischen Freundes zu gefährden.«
    Es ärgerte mich, dass der Dieb anscheinend bestens unterrichtet war.
    »Jetzt, da du über meine Instruktionen Bescheid weißt, wäre ich dir sehr dankbar, wenn du damit aufhören könntest, die Barriere meines Geistes durchdringen zu wollen«, fügte er nüchtern hinzu. »Ist manchmal etwas anstrengend, die ganze Zeit aufzupassen.«
    Nur mit allergrößter Willensanstrengung gelang es mir, ihn nicht augenblicklich anzugreifen.
    »Um Himmels Willen! Ich bin sicher, der Spindelmeister wäre kaum begeistert, wenn er der Regentin sein tiefstes Beileid bekunden müsste, da einer seiner dämonischen Gefolgsleute sich an ihrem treuesten Diener vergriffen hat.«
    Ich erstarrte . »Du arbeitest für die Regentin?«
    » Habe ich das nicht gerade gesagt?«
    Du liebe Güte! Eigentlich müsste  ich vor Schock tot umfallen. Welch ein Glück, dass ich unsterblich bin. Meine Gedanken troffen vor Zynismus. Nach dieser Offenbarung würde mich gar nichts mehr aus der Ruhe bringen, dessen war ich gewiss.
    » Dann freut es mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Arthur Devenger «, spottete ich und machte eine linkische Verbeugung.
    Der erste Spion der Regentin tat ertappt . »Jetzt hast du mich durchschaut! Das ist wirklich tragisch . Immerhin habe ich euch derart lange an der Nase herumgeführt.« Sein Gesicht nahm einen wehleidigen Ausdruck an. »Aber es wird Zeit, dass das alles hier ein Ende hat und ich endlich zu meiner Herrin zurückkehren kann. Hoffentlich mit den

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