Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
genau bedeuten mag. Er musste es von Anfang an gewusst haben. Genau erinnerte sie sich daran, wie er ihr mitgeteilt hatte, dass man sie aufgrund des Briefs, den sie von ihrem Vater erhalten hatte, verfolgen würde. Dabei verfolgt man mich, weil ich eine Schöpferin bin. Allein deswegen! Tränen stiegen ihr in die Augen.
Jeder schien sie zum Narren halten zu wollen!
Sie war so allein. Niemand war da, dem sie ihre Sorgen mitteilen konnte.
Crevi vermisste ihren Vater in diesem Augenblick so sehr. Als ihr ein Schluchzen zu entweichen drohte, hielt sie die Luft an. Sie wollte nicht, dass Jayden sie weinen sah. Schnell wischte sie sich über die Augen und zwang sich dazu, ruhiger zu atmen, doch der Kloß in ihrem Hals schien sie zu ersticken.
Es tat weh. Sowohl körperlich als auch seelisch.
Wäre dieser Kerl mir doch nie begegnet , dachte sie voller Bitterkeit an mich zurück. Nie hätte sie angenommen, dass die Wahrheit so schmerzhaft sein könnte.
Ihr Blick glitt zu Yve hinüber, die regungslos auf dem Sofa lag. Selbst meine einzige Freundin kann mir im Augenblick keinen Halt geben. Sie stand auf und machte sich mit bebenden Fingern daran, den Verband um Yves Oberschenkel zu lösen. Als sie ihn entwirrt hatte, staunte sie nicht schlecht. Die Haut darunter zeigte keinerlei Anzeichen einer Wunde. Dieser Fremde! Crevi sprang auf und stürmte aus dem Raum.
Dumpf hörte sie Jaydens Stimme hinter sich, der sie zurückrief, doch sie ignorierte ihn, als sie die Treppe hinaufstürmte. Stufe um Stufe und je weiter sie nach oben kam, desto mehr Tränen fanden den Weg über die Wangen.
War sie jetzt verrückt geworden? Ich weiß , dass der Mann dort war.
Oben angekommen wurde sie jäh gebremst.
Vlain stand direkt am Treppenaufgang und fast wäre sie hintenüber gestürzt, hätte er sie nicht rechtzeitig gepackt. Mehrere Sekunden hing sie in seinen Armen, dann riss sie sich los und stürmte an ihm vorbei. In ihr Zimmer. Krachend schlug sie die Tür ins Schloss.
Sie grub sich in die Kissen ihres Bettes und ließ ihren Gefühlen freien lauf. Oh Dad, ich brauche dich. Sie musste an glückliche Sommertage auf der Terrasse, gemütliche Wintertage mit Tee und regnerische Herbsttage voller Geschichten denken. Wie lange war das her? Es schienen ihr Jahre zu sein.
Ein Klopfen an der Tür ließ sie aufhorchen . »Kann ich reinkommen?« Vlain.
» Nein!«, rief sie und versuchte, abweisend und nicht verheult zu klingen.
» Bitte.«
» Ich sagte nein!«
» Dann muss ich ohne deine Erlaubnis diesen Raum betreten.« Die Klinke wurde hinunter gedrückt.
Crevi griff nach einem der großen Kissen und schleuderte es ihm entgegen. Spielend leicht wich er aus, machte keine Anstalten zu gehen. Das nächste Kissen vergeudete sie nicht, sondern zog es sich schutzsuchend über den Kopf . »Bleib weg«, verlangte sie dumpf.
» Das meinst du doch nicht ernst.«
Sie wollte sich nicht mit ihm streiten. Nicht jetzt. »Geh weg«, wiederholte sie und presste die Lider ganz fest zusammen, als könne sie sich weit fort wünschen.
» Nein.«
» Warum kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?«, spie sie hilflos aus. Innerlich wuchs in ihr jedoch der Wunsch, er möge herkommen und sie in die Arme nehmen.
» Weil es nicht das ist, was du wirklich willst.«
Er war stehen geblieben, was sie kurz aufatmen ließ.
»Wie kannst du das wissen?«
» Nur ein Gefühl.«
Crevi hob den Kopf, strich sich die verklebten Haare aus dem Gesicht und musterte ihn schweigend. Er stand einfach nur da, die Hände in den Hosentaschen vergraben und erwiderte ihren Blick auf diese Art, die typisch für ihn war. Ein wenig hochmütig, aber in Wirklichkeit schier unergründlich.
»Du bist verletzt.«
» Nein, nicht mehr.« Crevi spürte, wie ihr Haar an den blutgetränkten Stellen ganz hart geworden war. »Ich wurde geheilt.«
» Von wem?«
» Einem Fremden. Ich weiß nicht, wer er war.«
Vlain löste sich aus seiner Starre und schlich um ihr Bett herum, ließ sich neben sie auf die Matratze sinken. Aus irgendeinem Grund störte sie dies nun kaum noch.
» Es hat sich so viel geändert«, murmelte Crevi und rückte ein Stückchen in seine Richtung. Ganz von selbst, eigentlich unbeabsichtigt. Er lag nur eine Handlänge von ihr entfernt.
» Wie meinst du das?«
» Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll.« Eben erst hatte sie die Worte gesagt, da spürte sie erneut das unerwünschte Brennen hinter ihren Augen. Unversehens legte er zaghaft einen Arm um sie.
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