Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
sie froh darum, dass Ferzo e s ihr nicht unter die Nase rieb, oder sich gar deswegen über sie lustig machte.
Wenn es etwas gab, worauf man in der Stadt der Teufel hoffen konnte, dann war es Verständnis.
Beinahe hätte sie zurückgelächelt, doch sie verkniff es sich.
Lächeln stand ihr nicht gut zu Gesicht. Das hatte der alte Freund, dem sie das Geld geklaut hatte, ihr immer versichert.
»Was denkst du, woran es liegt?«
» Schwer zu sagen.« Der Mann strich sich über den Schnauzer. »Möglicherweise sind die Menschen einfach skeptischer geworden und zeigen einen mittlerweile schon bei den kleinsten Anzeichen an.«
» Wahrscheinlich.« Sie verzog den Mund. »Die Geburtenrate steigt nicht etwa?«
» Der Makel kommt öfter vor, doch.« Er überlegte. »Allerdings lässt sich das bereits seit einigen Jahren feststellen.«
» Irgendwann sind wir zu viele. Dann können sie uns nicht mehr alle einsperren.«
» In deinen Träumen.« Er klang nicht anklagend, viel mehr niedergeschlagen. »Du glaubst nicht wirklich, dass es sie stören würde, wenn wir zu hunderttausenden hinter den Mauern verreckten? Unser Wohlergehen interessiert sie einen Dreck. Hauptsache wir machen ihnen da draußen keinen Ärger.«
Leider musste sie ihm r echt geben. Er hatte es auf den Punkt gebracht.
» Vielleicht trägt unser nächster Aufstand ja Früchte.«
» Vielleicht, vielleicht auch nicht. Wer weiß das schon?«
» Wir können nur hoffen.«
Das Glöckchen der Tür erklang und kündigte einen weiteren Besucher an.
Yve und Ferzo fuhren zeitgleich herum. Blitzschnell griff der Verkäufer nach dem Aktenbuch, klappte es zu und ließ es unter der Theke verschwinden.
Der Besucher war ein Fremder. Zumindest hatte Yve ihn in der Stadt noch nie gesehen.
»Guten Tag.«
» Herzlich willkommen. Was kann ich für Sie tun?«
Sie warf ihrem Freund einen heimlichen Blic k zu, dann wandte sie sich zum Gehen.
Draußen vor der Tür schaute sie noch einmal durch die Glasscheibe nach dem Fremden.
Es war selten, dass es sich bei Ferzos Kunden nicht um Stammkunden handelte. Aber es kommt dennoch vor.
Langsam stieß sie die angehaltene Luft wieder aus. Es war töricht, sich deswegen zu sorgen.
Andererseits konnte man nie vorsichtig genug sein…
Sie zwang sich, den Blick abzuwenden.
» Ich werde noch anfangen unter Verfolgungswahn zu leiden, wenn das hier so weiter geht!«
Schnurstracks brachte sie ein Stück Entfernung zwischen sich und den Laden.
Ihre Schritte trugen sie auf direktem Wege zu ihrer kleinen Fabrikhalle. Es hatte sie viel Geld gekostet, sie zu mieten, doch letztendlich hatte es sich gelohnt. Dort hatte sie ihren Stützpunkt im Kampf gegen die Regierung errichtet. Dort arbeitete eine Handvoll freiwilliger Schmiede, die sie für ihre Sache gewonnen hatte, und stellte Waffen her und ihre Grafikerin, zeitgleich ihre beste Freundin an diesem verfluchten Ort, erstellte und druckte dort ihre Protestplakate. Die Druckmaschine hatte sie ebenfalls ein kleines Vermögen gekostet…allerdings hatte sie Rabatt bekommen, da sie sie bei Ferzo erbeutet hatte.
Es dauerte nicht lange, da kam ihr Prachtstück in Sicht.
Doch Yve stutzte.
Vor der Halle liefen mehrere Männer in Uniformen auf und ab und schleppten Kisten hinaus, die auf einen Karren geladen wurden.
Wie versteinert blieb sie stehen. Sprachlos verfolgte sie, wie einige ihrer Schmiede dabei halfen, weitere Kisten mit Hab und Gut abzutransportieren. »Beim Schöpfer!«, entfuhr es ihr.
Sie war viel zu überrascht, um angemessen zu reagieren. Irgendetwas in ihr wollte dazwischen gehen, ihre Arbeiter anschreien, was sie denn täten, doch ihre Vernunft setzte sich durch. Ihr war klar, dass dies nichts bringen würde.
Die Männer in den Uniformen gehörten eindeutig zur Stadtwache und unterstanden somit der Regierung. Wenn sie sich nun öffentlich als Yve die Widerliche, die berühmte Rebellin, offenbarte, würde man sie vermutlich festnehmen und in irgendein dreckiges Loch verschleppen, das noch verseuchter und enger war als das, in dem sie bereits lebte.
Also blieb sie stehen und beobachtete das weitere Geschehen.
Vorsichtshalber stellte sie sich jedoch in den Schatten einer Plane, die über das Vordach eines Lebensmittelladens gespannt war, und tat so, als untersuche sie die Ware.
Kein Risiko eingehen und die Ruhe bewahren. Das Herz schlug ihr bis zum Hals und ihre Augen zuckten immer wieder zu dem Geschehen vor der Halle, doch sie durfte jetzt nicht unüberlegt
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