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Beschuetz Mein Herz Vor Liebe

Beschuetz Mein Herz Vor Liebe

Titel: Beschuetz Mein Herz Vor Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asta Scheib
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christliche. Es gab die Zeremonie auf dem Standesamt und sonst nichts.
    Aber Walzer von Johann Strauß erklangen im Salon, und da Leon als Nichttänzer bekannt war, bat Ivan Therese um den ersten Tanz. Ivan Gutman war Thereses Chef gewesen. Als sie die Uni verlassen mußte, hatte er sie in seiner Praxis eingestellt. Auch Ivan Gutman war Jude. Der erste Spezialist in München, der allergische Krankheiten diagnostizieren und behandeln konnte. Er arbeitete auch wissenschaftlich auf diesem Gebiet. Therese lernte, Allergen-Extrakte aufzubereiten, mittels derer Dr.   Gutman testete, ob derPatient gegen Nahrungsmittel, Staub oder Tierhaare allergisch war. Patienten aus allen Teilen Deutschlands kamen zu Dr.   Gutman gereist. Auch Kranke aus dem Ausland. Die Arbeit bei Gutman entschädigte Therese bald dafür, daß sie nicht studieren konnte, daß sie nicht studieren durfte. Gutman erklärte ihr geduldig immer wieder seine Testreihen, gab ihr Literatur darüber. Therese tippte seine Aufzeichnungen, und es faszinierte sie, die eigentlich niemals gerne gelernt hatte, immer neue Versuche und damit neue Erkenntnisse zu erarbeiten.
    Ivan Gutman hatte offenbar keinerlei Interesse, Therese zu erziehen. Bei ihm konnte sie sein, wie sie war. Obschon Therese sofort spürte, wie klug Gutman war, obschon sie Respekt vor ihm hatte, konnte sie sich öffnen, sie selber sein, ohne Scheu ihre Gedanken laut zu Ende denken. Anders als Leon mußte Ivan Therese offenbar nichts beweisen. Er kämpfte nicht mit ihr, gab ihr bereitwillig ab von seinem Wissen. Und wenn Ivan lachte, wenn ihm etwas Freude machte, dann hätte Therese ihn gerne umarmt. Lachen, das war für Therese Anni gewesen, Sybille und Delia, das waren die Mitschüler in ihrer Klasse, aber es war niemals Vater und auch niemals Leon. Daher gab es Therese auch einen Stich, wenn Ivan lachte, wenn sich die Falten um seine Augen bildeten, seine Wangen sich verschoben, die kräftigen Zähne sichtbar wurden. Therese wußte nicht, was sie mit diesem Gefühl anfangen sollte, das sie durchflutete, wenn sie Ivan lachen sah, zumal wenn dieses Lachen ihr galt. Ivans Augen konnten so warm und offen sich auf Therese richten, sie hielt es kaum für möglich, daß ein Mann wie Ivan dieses Lachen für sie hatte. Für andere Menschen schon auch, aber eben auch für Therese.
    Als es dann soweit war, daß jüdische Ärzte keine deutschen Patienten mehr betreuen und auch keine deutschenAngestellten mehr beschäftigen durften, machten alle Mitarbeiter der Praxis Dr.   Gutman eine Reise, zum Abschied sozusagen. Therese und Ivan, Frederike und Irmtraud, die beiden Sprechstundenhilfen, fuhren nach Salzburg. Ein Konzert mit Furtwängler stand auf dem Programm. Ivan hatte gesagt, er wolle doch mal hören, ob Furtwängler jetzt anders dirigiere als früher, eben arisch. Nach dem Konzert sollte es Salzburger Nockerln im Felsenkeller geben. Dort schenkte Ivan jeder Mitarbeiterin eine Brillantbrosche zum Abschied. Die beiden Frauen mußten mit dem Zug am Abend zurückfahren, sie hatten Mann und Kinder zu versorgen. Ivan und Therese begleiteten sie zum Bahnhof. Weinend standen die beiden am Zugfenster, auch Therese weinte, und sie konnte sehen, daß Ivan die Zähne zusammenpreßte. Das tat er immer, wenn ihn etwas bedrückte. Man konnte dann durch die Haut die Bewegung der Muskeln sehen. Therese spürte, daß auch sie Frederike und Irmtraud liebgewonnen hatte. Jede war herzlich gewesen und offen. Sie waren zwar sichtlich froh, nicht auch jüdisch zu sein, aber sie hatten soviel natürliches Taktgefühl, daß sie die Gründe für die Trennung von Dr.   Gutman niemals erwähnten und wortlos die Konsequenzen zogen.
    Therese fuhr mit Ivan nach Gnigl, wo seine Schwester Heidede wohnte, die dort mit einem Mathematikprofessor verheiratet war, einem Vetter von Thereses Mutter. Durch ihn war auch die Vermittlung Thereses an Dr.   Gutman zustande gekommen, und daher hatte Therese die Einladung, in Gnigl zu bleiben, sehr gern angenommen. Das Haus der Verwandten lag an einem Hügel, am Heuberg, und Therese und Ivan gingen vor dem Essen dort hinauf spazieren. Es war ein Sommerabend, der Therese unlösbar mit Salzburg verbinden sollte.
    Sie war froh, mit Ivan allein zu sein. Schon während der Fahrt von München nach Salzburg wußte Therese, daß dieLandschaft in einem Zusammenhang stand mit der Unruhe in ihr. Therese sah Ivans blasses, mageres Gesicht, die randlose Brille, das jungenhaft gescheitelte Haar. Zerstreut

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