Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Beschuetz Mein Herz Vor Liebe

Beschuetz Mein Herz Vor Liebe

Titel: Beschuetz Mein Herz Vor Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asta Scheib
Vom Netzwerk:
von Käthe Kollwitz lagen lieblos gestapelt in einer Ecke. Vor einem melancholischen Matisse standen Bilder Cézannes, Picassos ›Demoiselles d’Avignon‹. Mutter rückte das Bild, das zwischen zwei Max-Ernst-Landschaften fast verschwand, hervor. Sie sagte zu Therese, daß Picasso fünfundzwanzig Jahre alt gewesen sei, als er dieses Bild malte. Mutter hatte Therese schon öfter zu erklären versucht, was Malerei sein kann. Therese hatte sich immer bemüht, das zu verstehen. Mit Mutters Augen zu sehen. Weniger wegen der Bilder, sondern ausdem brennenden Wunsch heraus, etwas mit Mutter gemeinsam zu sehen, zu verstehen. »Wir sehen nur die Oberfläche der Dinge«, hatte Mutter einmal gesagt, als sie in einer Ausstellung einen Raum betraten, in dem ausschließlich Picassos hingen. »Ein wirklicher Künstler jedoch«, hatte Mutter weiter erklärt, »erkennt die Dinge, die hinter der Oberfläche liegen. Manchmal sind sie nur unscharf zu erkennen, aber sie sind da, sind Realität. Es sind die Dinge, die von der Welt Besitz ergreifen, Neues schaffen. Althergebrachtes umwälzen, um Neuem Raum zu geben. Künstler können in uralte Mythen eindringen, sie zu unserer Zeit in Beziehung setzen.«
    Therese wußte, daß ihre Mutter Picasso bewunderte. Daß sie in jeder Stadt zuerst in Museen und Galerien ging, um Picassos Arbeiten wiederzusehen. Jetzt streichelte sie über die Bilder. Badende Frauen, Stilleben. Es schien Therese, als nehme ihre Mutter Abschied. Therese merkte auch, daß einige Besucher zuhörten, was Mutter zu den einzelnen Bildern Therese, Sybille oder Vater erklärte. Sie hörten auch jetzt zu, als Mutter über die Bilder Picassos sprach, die sie gleichzeitig in ein gutes Licht zu rücken versuchte. »Es gibt Maler, zum Beispiel Monet, aber auch noch andere, die sehen vornehmlich mit den Augen. Daher können sie auch nur das Außenbild der Dinge wiedergeben. Viele, so wie Matisse, sehen Oberflächen, die sie mit Farben sättigen.« Dabei strich Mutter über das weiße Kleid des sitzenden Mädchens von Henri Matisse, das Therese spontan sehr gut gefiel. So wie Mutter hatte sie das Bild noch nie betrachtet. »Andere Maler«, fuhr Mutter fort, »suchen Strukturen der Dinge. Picasso dagegen ist ein Maler, der zuerst mit seinen Händen die Dinge der Welt begreifen will. Er wiegt sie in seinen Händen, mißt Gewicht und Größe, sieht ihre Position im Raum.« Ein Mann in Joppe und Schiebermütze trat verächtlich gegen das BildPicassos. Es zeigte einen Kopf, 1907 von Picasso gemalt. »Das soll Kunst sein, das sind doch bloß Striche. Das kann jedes Kind besser.« Sofort rief eine Frau, die ihren Kopf über die Schulter der vor ihr Stehenden reckte, daß das alles bloß des Kaisers neue Kleider seien, weiter nichts. Und eine andere Frau kreischte fast: »Und dafür haben die dem Pinselquäler Hunderttausende in den Rachen geworfen.«
    Ein noch sehr junger Mann, die Mütze weit aus der Stirn geschoben, spuckte bei den Worten der Frau zustimmend in Richtung eines Landschaftsbildes von Max Ernst. In Therese wurde es ganz kalt. Sie sah, wie Mutter zusammenzuckte, wie Zorn ihr Gesicht versteinerte. Doch Mutter wandte sich ab. Ging weg. Vater folgte ihr sofort. Sybille wechselte kurz einen Blick mit Therese. Auch sie wagten es nicht, den breitbeinig Dastehenden ihrerseits zu provozieren. Sie schwiegen, wandten sich ab. Das gehörte zum Programm. Um keinen Preis auffallen, nie, nirgends. Langsam schoben sie sich zurück, dem Ausgang zu, wo über einer Gruppe von Bildern zu lesen war: »So schauten kranke Geister die Natur.« Therese hatte schon oft gehört, wie Hitler in Ansprachen gegen den jüdischen Ungeist in der deutschen Kunst wetterte. Auch bei der Einweihung des Hauses der Deutschen Kunst hatte er sich gegen die Kleckereien der sogenannten modernen Kunst gewehrt, die durch eine ebenso gewissenlose wie charakterlose Literatentätigkeit hochgelobt worden sei. Es sei sein unabänderlicher Entschluß, sagte Hitler, »genau wie auf dem Gebiet der politischen Verwirrung werde ich auch hier mit den Phrasen im deutschen Kunstleben aufräumen. Kunst kommt immer noch von Können. Und Deutschsein heißt Klarsein«.
    Therese konnte nur ahnen, was Hitler damit meinte. Wahrscheinlich die von ihm favorisierten Maler, wie ConstantinGerhardinger, Hans Schmitz-Wiedenbrück oder Hermann Otto Hoyer, deren Werke seelenvolle Erbauung ausstrahlen oder Heroismus. Bäuerliche Familienszenen. Bauern bei der Feldarbeit, während im Hintergrund

Weitere Kostenlose Bücher