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Beschuetz Mein Herz Vor Liebe

Beschuetz Mein Herz Vor Liebe

Titel: Beschuetz Mein Herz Vor Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asta Scheib
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ein und ging regelmäßig in die Synagoge in der Reichenbachstraße. Einmal, an Rosch-Haschana, war Therese endlich mitgegangen. Doch sie hatte große Scheu gehabt vor den rituellen Kleidern und Gebärden der Männer, vor dem durchdringenden, fast angsteinflößenden Ton des Schofarhorns, des Widderhorns, der die Menschen aufrütteln, zur Umkehr zwingen soll.
    Therese sah Sybille an, wie sie konzentriert der Lesung aus der Thora und aus den Prophetenbüchern folgte. Es tat fast weh zu sehen, wie Sybille sich in einer Welt einzurichten versuchte, zu der sie sich nun zugehörig fühlte. Therese fragte sich, ob es ihr selber an Phantasie mangele, sich einen Gott zu wünschen. Sie fühlte sich merkwürdig allein in der Gemeinschaft der Juden. Es fiel Therese auf, daßviele Frauen in der Synagoge elegant gekleidet waren und natürlich geschminkt. Typisch Judenfrauen. Schminken galt als völlig undeutsch. Schminke, so sagten die Nazis, ist nur für die dicken Lippen und sinnlichen Gesichter der Levantinerinnen geeignet. Eine deutsche Frau mit orientalischer Kriegsbemalung – widerlich. Deutsche Frauen rauchen auch nicht, tragen keine Männerhosen. Am liebsten hätten die Nazis alle Frauen in BDM-Uniform mit Gretchenfrisur gesehen.
    Wußte Therese schon nicht, was eine Jüdin ausmachte, so wußte sie ebensowenig, was das eigentlich war, eine deutsche Frau. War Mutter eine gewesen bis zum Jahr 1933? Daß zumindest Therese keine echte deutsche Frau war, das wußte sie.
    Wahrscheinlich war Emmy Göring, geborene Sonnemann, eine deutsche Frau. Es hieß, daß die Dienstboten sie »Hohe Frau« nennen mußten. In der Metzgerei Hallhuber erzählte man sich vorsichtig, daß Frau Göring künstlich befruchtet werden müsse, weil der fette Hermann nichts zuwege bringe.
    Michl Hallhuber. Anni hatte ihm erzählt, daß der Herr Suttner nicht mehr Mitglied in seinem Segelclub sein konnte. Daß er jetzt nicht wisse, wohin mit seinem Boot. Spontan sagte Hallhuber, das Boot, das werde er dem Herrn Doktor abkaufen. Die ängstliche Frau Hallhuber bekam sofort noch blauere Lippen. Sie gab zu bedenken, daß ihr Mann doch gar nicht segeln könne. »Du kannst ja net amal schwimmen.« Hallhuber erklärte ihr überlegen, daß er diesen Kahn ja nicht besteigen wolle, er denke gar nicht daran. So was Wackliges sei nichts für ihn. »Ich kauf des Boot doch nur so lang, bis wieder andere Zeiten kommen. Dann derf der Herr Doktor auch wieder segeln.«
    Hallhuber wachte persönlich darüber, wie Suttners Kielboot von seinem Liegeplatz am Harras in eine Werft verfrachtetwurde. Man war bereit, das Boot dort bis auf weiteres aufzudocken. Hallhuber nickte wissend, als die Männer sein sturmstarkes Boot lobten, die dreißig Quadratmeter Segelfläche. »Mit dem kannst schon hart an den Wind, gell?« Dafür, daß man ihm das zutraute, hatte Hallhuber den Männern noch ein sauberes Trinkgeld extra gegeben. Und alle versicherten ihm, daß sie auf sein Boot ein Auge haben würden.
    Annis Haß auf die Nationalsozialisten, die ihr Girgl genommen hatten, war uferlos und ohnmächtig zugleich. Nach Girgls Tod war die Gestapo fast täglich bei Anni in der Tengstraße aufgetaucht, und sie hatten ihr die Wohnung durchsucht. Sogar die Bettbezüge wurden aufgeschlitzt, die Federn durchsucht, ob Girgl nicht Dokumente versteckt hatte. »Ihr Mann hat doch den neuen ›Vorwärts‹ überall verteilt. Sie wollen doch nicht behaupten, daß Sie davon nichts gewußt hätten.«
    Gerade das behauptete Anni. Ihr Mann habe ihr niemals etwas von seiner Arbeit erzählt, sie habe keine Ahnung. Anni erzählte Therese, daß sie sich innerlich immer ganz kalt fühle, wenn die Gestapo bei ihr Durchsuchung mache. »Was können die mir denn wollen? Sie haben meinen Girgl umgebracht – mehr können sie mir nicht mehr antun. Vor denen habe ich keine Angst. Jetzt nicht mehr.«
    Mit Hallhuber, seiner Frau und Anni gingen Therese und Sybille aufs Oktoberfest. Valerie in ihrem Kinderwagen war natürlich dabei. Therese dachte, daß sie sich gemeinsam mit Anni und den Hallhubers schon viel weniger jüdisch fühle. Sie hütete sich aber, dies Sybille mitzuteilen, die sich neuerdings auch weigerte, die Hand zum Hitlergruß hochzuheben. Neulich, im Englischen Garten, war ihnen ein SA-Mann begegnet, der sofort seine Hand hochreckte und sein Heil Hitler schrie. »Und Sie, was ist mit Ihnen?« fragte er sofort, als Therese und Sybille an ihmvorbeigingen. »Was ist, wollen Sie nicht grüßen?« Seine Stimme

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