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Besessene

Besessene

Titel: Besessene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Hayes
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und anderen Geräten, die ich nicht einmal identifizieren konnte, ließ sich unschwer erkennen, dass die Besitzer der Scheune gut lebten. Genevieve machte uns Rühreier   – weich, doch nicht wässrig, genau so, wie ich sie gern mochte   –, es gab Vollkornbagels, Müsli und frische Orangen. Sie schien hier ganz zu Hause zu sein und ichfragte mich, wie sie das alles für ein Leben in Ungewissheit aufgeben konnte.
    »Wissen die Leute, bei denen du hier wohnst, eigentlich von uns?«, fragte ich voller Dankbarkeit über diese erste Mahlzeit des Tages.
    Sie schüttelte den Kopf. »Sie sind nett zu mir und unterstützen mich, aber ich weihe niemanden in meine Angelegenheiten ein   … ich traue niemandem   … nicht mehr.«
    Mir musste sie nichts erklären. Ich war schließlich mein ganzes Leben lang darauf bedacht gewesen, niemanden zu nah an mich heranzulassen. Früher hatte ich immer geglaubt, die anderen seien es, die sich von mir fernhielten, doch jetzt wurde mir klar, dass wahrscheinlich meine distanzierte Ausstrahlung die Barriere war.
    »Es ist besser, sich auf niemanden zu verlassen«, fügte sie hinzu. »Dann kann man auch nicht verletzt werden.«
    Es war mir unbegreiflich, wie wir uns trotz des unterschiedlichen Lebens, das wir geführt hatten, so ähneln konnten. Ich musste ihr auch nicht einmal erzählen, dass ich mich schwertat, Freundschaften zu schließen, denn darauf hatte sie mich ja auf ihre grausame Art schon ganz zu Anfang hingewiesen, als wir uns gerade kennenlernten. Ich tat so, als würde ich nicht bemerken, dass Genevieve ihre Eier zwar pfefferte, aber nicht salzte, und ihr Müsli lieber knusprig aß und nur wenige Löffel Milch zugab. Beides machte ich genau wie sie   – ganz und gar ihr Spiegelbild. Jetzt war genau der richtige Zeitpunkt, die 1-Million -Dollar-Frage zu stellen. Ich legte mein Besteck zur Seite, trank meinen Kaffee aus und sagte: »Seit wann weißt du es schon?«
    Nachdenklich fuhr sie sich mit dem Finger über die Lippen. »Immer schon, glaube ich. Ich kann mich an keinen Zeitpunkt erinnern, an dem ich nicht von dir gewusst hätte, aber ich dachte immer, dass ich schuld daran sei, dass du nicht bei mir warst.«
    »Warum?«
    »Meine Adoptiveltern haben mir vermittelt, dass ich durch und durch schlecht sei«, erwiderte sie in beinahe belustigtem Ton, »und deshalb dachte ich, dass es meine Schuld war, dass wir getrennt wurden.«
    »Und wie hast du mich gefunden, Genevieve?«
    Sie starrte mich mit ihren grünen Augen an. »Das war ein Zufall   … oder Schicksal   … wie immer du es nennen willst.«
    Ich holte tief Luft. »Wirklich?«
    »Ja, wirklich«, sagte sie mit Nachdruck. »Ich bin so viel herumgezogen   … wie groß ist da die Chance, in genau der Stadt zu landen, in der du lebst? Der Tag, als wir im Bus saßen, hat den Ausschlag gegeben   … das musst du doch auch gespürt haben.«
    Wir waren uns also rein zufällig begegnet. Ich war mir nicht sicher, ob diese Variante weniger glaubwürdig war als die Vorstellung, dass sie irgendwie herausbekommen hatte, wo ich lebte, und mich dann aufgestöbert hatte. Sie hielt es nun einmal für Vorsehung und dem war schwer zu widersprechen.
    »Ja, ich habe auch etwas gemerkt«, gab ich zu, »aber ich konnte es nicht einordnen. Ich habe nur gespürt, wie eine Welle von Gefühlen über mich hereinbrach   … ich dachte allerdings, es wären Hassgefühle.«
    Genevieve legte den Kopf auf die Seite wie ein erwartungsvoller Hund. »Das stimmt, ich hab dich auch gehasst. Du hast so glücklich ausgesehen und ich wollte dir dein Lächeln aus dem Gesicht radieren und dich aus deiner selbstzufriedenen kleinen Welt herausrütteln.«
    »Du hast mich für das verantwortlich gemacht, was geschehen ist?«
    »Ja«, erklärte sie mit absoluter Bestimmtheit. Ich wartete ab, ob sie ihre Antwort relativieren würde, doch sie starrte mich nur mit ihrem hypnotisierenden Blick an. Niemand hatte mich je zuvor so angesehen und sie konnte zudem meine ureigensten Gedanken lesen, was einen doppelten Übergriff bedeutete.
    »Hast du mir deshalb alle diese Gemeinheiten angetan?« Genevieve zuckte lässig mit den Schultern. »Du hast nie einen solchen Schmerz verspürt wie ich   … wusstest nicht mal, dass ich existierte. Ahnst du eigentlich, wie ich mich gefühlt habe, als ich dich an jenem Tag zum ersten Mal gesehen habe   … lachend und völlig sorgenfrei?«
    »Dafür konnte ich doch nichts   …«
    »Ich habe so lange versucht, zu dir

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