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Besessene

Besessene

Titel: Besessene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Hayes
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ich versuchte ganz bewusst, Lukes Blick zu meiden. Die Frau entsprach nämlich exakt der Karikatur einer Farmersfrau, überspitzter sogar noch als in Lukes Beschreibung   – sie hatte ein großflächiges rotes Gesicht mit Grübchen, das von grauem Haar umrahmtwar, und einen von einer langen Schürze verdeckten apfelförmigen Körper.
    »So, so«, begann sie das Gespräch und stellte die Teller vor uns ab. »Und was führt Sie in unsere Breitengrade?«
    Ich unterdrückte ein Lächeln. »Wir sind   … auf der Durchreise. Wir wollten die Panoramastraße nehmen und uns ein bisschen die Gegend ansehen. Wir kommen aus der Stadt   … Rauch, Smog und so, Sie wissen schon.«
    »Aber Kühe haben wir schon mal gesehen«, witzelte Luke auf meine Kosten.
    Hinter dem Rücken der Frau schnitt ich eine Grimasse. »Leben Sie schon lange hier?«
    »Seit meiner Heirat«, antwortete sie sehr entschieden. »Die Farm gehört seit drei Generationen der Familie meines Mannes. Sie sitzen hier in der ehemaligen Molkerei.«
    Luke gab ein überraschtes Geräusch von sich, doch ich ignorierte ihn. »Dann kennen Sie also alle hier im Dorf?«
    Ihre Augen huschten misstrauisch zwischen uns hin und her. »Allerdings.«
    Luke öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber ich kam ihm zuvor. »Es ist nämlich so   … ich versuche, ein Familientreffen zu organisieren, und in Ihrem Dorf scheinen Leute zu leben, die möglicherweise   …Verwandte von mir sind.«
    »Dann wollten Sie also gar nicht die Landschaft bewundern«, bemerkte die Farmersfrau und rührte energisch in einer Teekanne herum. Ich war fast am Verdursten, aber sie machte keinerlei Anstrengung, die Kanne an unsern Tisch zu bringen. »Wie heißen sie denn?«
    »Morton, Jane und Paul Morton.«
    Jetzt fiel eindeutig ein Schatten über ihr Gesicht. »Sind das nahe Verwandte von Ihnen?«
    Ich spürte, wie die mir so vertraute Röte vom Nacken in die Wangen stieg. »Nein   … nein   … nur ein Cousin zweiten Grades, mütterlicherseits, der irgendwann verzogen ist. Meine Mutter hat schon vor Ewigkeiten den Kontakt zu ihm verloren.«
    Arglistige Augen bohrten sich in meine. »Aber Sie sind sich sicher, dass die beiden hier leben, in Lower Craxton?«
    Ich wand mich sichtlich, da sie nicht gerade auskunftsbereit zu sein schien. »Meine Mutter hatte noch eine alte Weihnachtskarte von den beiden«, sagte ich mit piepsiger Stimme, »und darauf steht die letzte uns bekannte Adresse.«
    Die Farmersfrau verschränkte die fleischigen Arme, nachdem sie uns endlich Tee eingeschenkt hatte. »Tja, dann tut es mir leid, Ihnen eine schlechte Nachricht überbringen zu müssen. Jane und Paul haben tatsächlich hier gelebt, sind aber vor fünf Jahren bei einem Hausbrand ums Leben gekommen.«
    Ich verdeckte mein Gesicht mit den Händen. »Wie grauenhaft.«
    Sie machte ein schnalzendes Geräusch mit der Zunge. »Alle hier im Dorf waren erschüttert, dass so was Schreckliches passieren konnte. Es war am Heiligen Abend, das werde ich nie vergessen   … keiner hier kann das.«
    »Ist denn das Haus   …? Ich meine, steht es noch?«
    »Niedergebrannt bis auf das Fundament«, antwortete sie lapidar.
    Lukes Stimme klang dem Anlass angemessen. »Gab esdenn Überlebende? Ist irgendjemand dem Feuer entkommen?«
    Die Frau entfernte sich von unserem Tisch und machte sich hinter dem Tresen zu schaffen. »Nein. Jetzt muss ich aber weitermachen. Werfen Sie einfach zwei Pfund in den Krug neben der Tür   – und einen guten Tag Ihnen beiden.«
    Ich war betroffen, dass sie so plötzlich aufbrach, und rief ihr nach. »Und was ist mit   …«
    Aber Luke beugte sich zu mir hinüber und hielt mir den Mund zu. Verärgert schüttelte ich seine Hand ab. »Sie hat uns noch gar nichts über die Tochter erzählt. Die muss sie doch auch gekannt haben.«
    Luke weigerte sich, mir zu antworten. Ich sah ihm zu, wie er sein Sandwich zu Ende aß, den letzten Schluck Tee trank, Münzen auf den Tisch zählte und sich seine Jacke wieder anzog. Ärgerlich folgte ich ihm mit gesenktem Kopf, um dem Wind zu entgehen.
    »Tut mir leid wegen eben«, entschuldigte er sich. »Ich wollte nicht, dass sie uns hört.«
    »Aber warum sollte sie uns denn anlügen? In dem Artikel stand doch alles über Grace Morton. Es ist doch gar nicht möglich, dass sie sie nicht gekannt hat   … in einem so kleinen Dorf.«
    »Wir können sie ja nicht zwingen, uns was darüber zu erzählen«, antwortete Luke resigniert.
    »Lass uns noch jemand anders fragen«,

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