Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Besessene

Besessene

Titel: Besessene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Hayes
Vom Netzwerk:
gleichen Moment spürte ich ein Kribbeln, das so intensiv war, als würden Insekten über meine Haut krabbeln. Der Anhänger war aus smaragdgrünem Glas gefertigt; es war das gleiche Grün wie das der Augen, die mich heute so penetrant angesehen hatten. Mum brauchte ihre Besucherin nicht zu beschreiben. Mein Instinkt sagte mir, um wen es sich bei dem Mädchen gehandelt hatte.

Kapitel 2
    K aty

Komm und sieh dir mein neues Atelier an xxx
    Ich war so wild darauf, sofort zu antworten, dass ich eine etwas ausladende Handbewegung machte und mein Handy vom Nachttisch stieß. Laut scheppernd schlug es auf den Holzdielen auf, die ich im vergangenen Jahr in meiner Lieblingsfarbe, einem unglaublich schönen Indigoton, gestrichen hatte. Ich wagte kaum nachzusehen, ob das Handy zu Bruch gegangen war, und meine Hände zitterten, als ich es doch tat. Merlins SMS versprach etwas, worüber ich vor lauter Angst gar nicht erst nachdenken wollte, ihn aber nicht zu besuchen war keine Alternative.
    In weniger als einer Viertelstunde war ich bereit zum Aufbruch, doch da es uncool gewesen wäre, zu schnell bei ihm aufzutauchen, zitterte ich ein bisschen vor mich hin, knabberte an meinen Fingernägeln und zog mich sechsmal um, bevor ich mich auf den Weg machte. Mum sah mir mit ihrem typischen Ich-bin-einsam-und-verlassen-Ausdruck im Gesicht nach, aber heute konnte mir nichts auf der Welt Schuldgefühle einjagen. Ich beeilte mich, um bloß nicht mit Luke, unserem Nachbarn, sprechen zu müssen, weil er mich immer aufzog und ich damit jetzt gar nicht hätte umgehen können. Vor lauter Vorfreude war ichso nervös, dass alle meine Sinne hochempfindlich reagierten. Es war ein verregneter Sommer gewesen und die Natur von einem so intensiven Grün, dass es mir fast schon in den Augen wehtat. Ein blasser Regenbogen erhob sich direkt hinter Merlins hohem viktorianischem Haus, was mich noch mehr beflügelte. Der angeblichen optischen Täuschung, dass der Regenbogen zurückwich, je näher man an ihn herankam, hatte ich noch nie ganz glauben wollen.
    »Hallo, Katy   … komm, ich zeige dir den Weg.«
    Lächelnd öffnete mir Merlins Mutter die Tür. Sie war groß und schlank und hatte langes glänzendes Haar, das oben auf dem Kopf festgesteckt war. Sie trug eine kimonoartige Tunika und sah auch ohne das geringste Make-up super aus. Ich wusste, dass sie Bildhauerin war und von berühmten Leuten Aufträge erhielt, was mich mit einiger Ehrfurcht erfüllte. Ich folgte ihr nach oben zu dem Speicherraum, der kürzlich in ein Atelier für Merlin umgewandelt worden war, und sie klopfte dezent an seine Tür.
    »Merlin, Katy ist da.«
    Merlin war so vertieft in sein Gemälde, dass er uns gar nicht hatte kommen hören   – mit leicht herausgestreckter Zungenspitze saß er da, die Stirn gerunzelt, die tief liegenden grauen Augen konzentriert und dennoch in die Ferne blickend. Sein Gesicht war auf ungewöhnliche Weise interessant und voller Kanten, da die Wangenknochen rasiermesserscharf hervorstanden und ein tiefer Spalt sein Kinn dominierte. Seine Haut wirkte auffallend blass gegen das wirre dunkle Haar, das ihm in die Augen fiel und er mit einer schnellen Drehung des Handgelenks ungeduldig zur Seite strich. Ich hätte ihn den ganzen Tag ansehen können,aber eine Hand in meinem Kreuz schob mich weiter ins Zimmer hinein und eine Stimme flüsterte: »Dann lasse ich euch zwei jetzt mal alleine.«
    Ich wollte die Stimmung nicht zerstören, da Merlin völlig in seine Arbeit versunken wirkte, doch nach kurzer Zeit schon kam ich mir vor wie ein Voyeur. »Merlin   … deine Mutter hat mich reingelassen.«
    »Katy? Du bist schon da?«
    Schnell stand er auf und verhängte die Leinwand mit einem Tuch.
    »Darf ich das Bild sehen?«
    »Erst wenn es fertig ist. Und? Gefällt dir der Raum?«
    »Er ist Wahnsinn«, sagte ich und machte mir nichts vor: Genau dasselbe hätte ich gesagt, wenn es sich um einen nach Katzen stinkenden Schuppen unten im Garten gehandelt hätte. »Die Fenster sind ja riesig und die Aussicht ist umwerfend.«
    Meine Schuhe hallten auf dem farbverspritzten Boden, als wir zu den schrägen Dachfenstern hinübergingen. »Das Licht ist wirklich einzigartig«, stimmte Merlin zu. »Ich könnte den ganzen Tag hier oben verbringen.«
    So nah hatten wir bisher nie nebeneinandergestanden. Unsere Arme berührten sich und ich wagte nicht die leiseste Bewegung, um diesen magischen Moment nicht zu zerstören. Manchmal konnte ich kaum atmen, wenn ich in Merlins

Weitere Kostenlose Bücher