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Besessene

Besessene

Titel: Besessene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Hayes
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ansah.
    »Da haben wir aber Glück gehabt, dass wir nicht auf der Autobahn gewesen sind«, sagte Luke mit gespielter Heiterkeit. »Und dass die Krähe auf deiner Seite gegen die Scheibe geflogen ist, sonst lägen wir jetzt nämlich im Straßengraben.«
    Ich fühlte mich, als ob mein ganzer Körper in der Waschmaschine herumgewirbelt und dann zum Trocknen aufgehängt worden wäre, und versuchte, nicht zuzusehen, wieLuke Blut, Federn und den geschundenen Kadaver mit einer Plastiktüte von der Scheibe kratzte. Dann stieg er wieder ins Auto und schaltete die Scheibenwischer ein, um letzte Überreste zu entfernen.
    »Die hat bestimmt ein Farmer abgeschossen«, sagte er. Ich atmete tief ein, um irgendwie das Gefühl von Übelkeit loszuwerden, öffnete das Fenster und vermied die aufkommenden Gedanken an geflügelte Unheilsboten, die uns davon abhalten wollten, die Kirche zu erreichen. Wir schwiegen beide, bis wir in St. John’s Place ankamen.
    Ich hatte mir eine winzig kleine, malerische Kirche mit buntem Fensterglas und einem Vordach über dem Eingang vorgestellt, aber diese hier war schlicht und modern und hatte eher den Charakter einer Veranstaltungshalle. Draußen auf der Straße parkten viele Autos und an der Anschlagtafel hing ein handgeschriebenes Schild, das für einen Basar zugunsten des örtlichen Wohlfahrtverbandes warb.
    »Zumindest können wir mit allen anderen zusammen in die Kirche gehen und wirken nicht so fehl am Platz«, sagte Luke, als er aus dem Auto stieg und sich streckte. Seine Haare sahen aus, als hätten sie tatsächlich schon einmal einen Kamm gesehen, und selbst seine Hose war nicht so zerknittert wie sonst immer. Einen Moment lang betrachtete ich ihn voller Zuneigung und Verwunderung darüber, dass er schon wieder einen ganzen Tag opferte, nur um mir zu helfen. »Los, komm, lass uns mal sehen, ob wir ein Schnäppchen machen und gleichzeitig ein bisschen Detektiv spielen können«, sagte er.
    Normalerweise stand ich sehr auf Trödelmärkte, weil ich dort Secondhandklamotten kaufen konnte. Ich änderte siedann oder trennte sie auf und nähte mir irgendetwas Neues daraus. Doch der Markt hier war von einem seriösen Landfrauenverband organisiert worden; es gab nichts als Tweedröcke, karierte Hosen und Blusen mit Paisleymuster und den dazu passenden Schals. Auf den Tischen reihten sich Gläser mit Marmelade, eingelegten Zwiebeln und Rote Bete, gigantische Biskuitrollen und Obstkuchen. Daneben standen Pflanzen, scheußliche Porzellanfigürchen und trist aussehende Bücher.
     
    »Halt nach dem Pfarrer Ausschau«, erinnerte mich Luke, während er den Damen an den Ständen lächelnd zunickte.
    Ihn nötigte man zu einem Früchtestollen und Aprikosenmarmelade für seine Mutter, während ich mich für eine schlappe Zimmerpflanze entschied, die angeblich sehr wenig Pflege brauchte. Luke schien der einzige Mann im Saal zu sein, der unter sechzig war. Er stürzte sofort hilfsbereit herbei, als einer der Verkaufsstände zusammenbrach. Binnen kürzester Zeit wurde er dazu verdonnert, diverse Bücherkisten zu stemmen und den Tombolastand zu bemannen. Ich stellte mich neben ihn, trank schlechten löslichen Kaffee aus einem Plastikbecher und hörte einer alten Dame zu, die über ihre Fußballen klagte.
    Der Mann im schwarzen Anzug mit dem Kragen eines Geistlichen stach mir sofort ins Auge, als er den Gemeindesaal betrat, da alle auf ihn zugingen, um ihn zu begrüßen. Ich wollte Luke ein Zeichen geben, doch fünf violett getönte Dauerwellen, wenn nicht mehr, versperrten mir die Sicht auf ihn. Der Pfarrer war wohl um die fünfzig, mit Bart und grauen Haaren, groß, schlank und Träger einerGoldrandbrille. Luke integrierte sich mitnichten in die Menge, ragte vielmehr wie ein Leuchtturm aus ihr empor, weshalb wohl auch der Pfarrer schnurstracks auf ihn zuging. Ich sah, wie sich die beiden die Hand gaben, und stand mitten in dem Bericht über eine Gallenblasenentfernung auf, um zu Luke hinüberzugehen und ihm Schützenhilfe anzubieten.
    »Ich bin nur heute hier«, hörte ich Luke sagen, »zusammen mit einer Freundin.«
    »Wir bräuchten dringend junge Leute, die sich in unserer Gemeinde engagieren. Wie schade, dass Sie hier nur zu Besuch sind.«
    Luke zögerte, dann sagte er: »Ach, übrigens   … hier in der Gegend hat mal eine andere Freundin von mir gelebt   … ob Sie sich wohl an die erinnern können?«
    Der Pfarrer lächelte ihm aufmunternd zu. »Wie heißt sie denn?«
    Lukes Entschlossenheit schien ein

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