Besessene
festhielt. »Sie ist tatsächlich clever, Kat. Ich habe sie wahrscheinlich unterschätzt und das Problem ist … wir haben keine weitere Spur. Ich weiß nicht, wie wir weitermachen sollen.«
Ich strahlte übers ganze Gesicht. »Das ist genau der Punkt, Luke. Da ist noch etwas anderes, das ich dir bisher nicht erzählt habe. Den Knüller habe ich mir bis zum Schluss aufgehoben.«
Kapitel 19
E s war ein seltsames Gefühl, am Montagmorgen wieder ins College zurückzukehren – ich kam mir vor wie ein entlassener Sträfling. Bei dem Gedanken, Hannah zu begegnen, war mir nicht wohl gewesen, doch dann sah sie die ganze Sache recht entspannt. Sie erzählte mir, sie habe ihre Mutter davon überzeugen können, dass alles nur ein großes Missverständnis sei – denn Katy Rivers würde etwas so Riskantes nie und nimmer wagen. Merlin und ich schlichen uns bei allererster Gelegenheit davon. Er nahm alle Schuld auf sich und war der festen Überzeugung, das Kuddelmuddel mit den Briefen sei entstanden, weil er auf seinem Computer aus Versehen irgendetwas vertauscht habe. Ich hielt es nicht für nötig, groß mit ihm zu diskutieren und darauf hinzuweisen, wie unwahrscheinlich seine These war.
Jetzt mussten wir noch vorsichtiger sein, wenn wir zusammen waren, damit nicht wieder etwas gegen mich verwendet werden konnte. Wir küssten uns, wann immer es uns möglich war, und entdeckten einen kleinen Durchgang hinterm College, in den wir uns zurückziehen konnten. Von hier aus sah man auf das Bahngelände und auf einen Platz mit Müllcontainern, Gestank von Abfall stieg uns indie Nasen, der Wind fuhr uns durch alle Glieder und das Geräusch von Zugbremsen hallte uns in den Ohren.
Ich hatte angefangen, Genevieve so heimlich zu beschatten wie sie mich, und war verblüfft, wie sehr es mich befriedigte, fast so, als hätte ich ihr raubtierhaftes, rachsüchtiges Wesen in Teilen übernommen. Ich zählte jeden einzelnen Tag und wartete auf den Moment, an dem das Wochenende endlich anfing. Schließlich gab es eine Menge, worauf ich mich freuen konnte – am Samstag endete mein Hausarrest, ich durfte Merlin wiedersehen und auch für Luke und mich stand eine wichtige Sache an.
Wir beide hatten nämlich vor, noch einmal an den Stadtrand von York zu fahren, und zwar in die Pfarrei, in der man Genevieve nach dem Brand untergebracht hatte. Was sie auch zu verbergen hatte – wir würden es herausbekommen und sie als Lügnerin entlarven. Endlich hatte ich die unangenehme Tatsache geschluckt, dass sie niemals freiwillig ihren Kampf gegen mich aufgeben würde. Es war an mir, ihn – stellvertretend – zu beenden.
Am Samstagmorgen brachen wir vor sieben Uhr schon auf.
»Und? …Wie geht’s dem Magier?«, fragte Luke ein wenig hinterhältig, während er um eine scharfe Kurve fuhr, sodass ich ziemlich unsanft gegen meine Tür geschleudert wurde.
»Dem? … Dem geht’s ganz okay.«
»Macht es ihm denn nichts aus, dass du schon wieder einen ganzen Tag mit mir verbringst?«
»Nein, überhaupt nicht«, antwortete ich mit Nachdruck. »Ich sehe ihn ja heute Abend. Wir konnten uns die Woche über gar nicht treffen … dafür ist aber meine Projektarbeitrechtzeitig fertig geworden. Miss Clegg meinte, sie sei jetzt sogar eine Note besser.«
»Super, Kat!«
»So hat mein Hausarrest ja wenigstens etwas Sinn gemacht.«
Luke sagte nichts dazu. Seit er von Merlins und meinem Campingtrip erfahren hatte, war die Stimmung zwischen uns leicht angespannt, was mich ein wenig stutzig machte, weil ich bisher wie selbstverständlich davon ausgegangen war, ihm alles erzählen zu können. »Bist du sauer wegen irgendwas?« Luke fingerte am C D-Player herum, bis ich seine Hand nahm und auf das Lenkrad zurücklegte. »Komm schon, raus mit der Sprache.«
»Sauer? Nein … es ist nur … ich will nicht, dass dir einer wehtut, Katy, das ist alles.«
»Aber Merlin würde mir nie wehtun.«
Da Luke noch immer schlecht gelaunt aussah, insistierte ich weiter. »Da ist doch noch was anderes, oder?«
»Nein … wie man’s nimmt, na, irgendwie schon. Ich habe eigentlich gedacht, ich würde dich ein bisschen besser kennen, Katy.«
Lukes Worte verletzten mich so sehr, dass ich mich ganz geknickt in meinem Sitz verkroch. Doch schon einen Moment später wurde ich wütend und hatte das Gefühl, ich müsste mich verteidigen. Mit kühler, ausdrucksloser Stimme sagte ich: »Das war mal, Luke. Ich bin inzwischen kein kleines Mädchen
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