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Besessene

Besessene

Titel: Besessene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Hayes
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gegen ihre sonst so zwanghafte Gewohnheit. Sie hatte mich nicht mal gefragt, woher ich Genevieves richtigen Namen kannte. Aus irgendeinem Grund hatte ich das Gefühl, als sei Mum froh, sich so weit wie möglich von zu Hause entfernen zu können.
    Ich ging zurück an meine Arbeit, zählte alle Anrufe von Merlin, die ich nicht entgegennahm, und empfand ein fast pervers zu nennendes Vergnügen an ihrer Häufigkeit, besonders, als der dreizehnte erreicht war. Aber bald schon meldete es sich wieder   – dieses schreckliche Gefühl der Irritation, das nicht mehr von meiner Seite wich. Ich musste endlich damit aufhören, meinen Verstand mit diesem Hokuspokus zu vernebeln, so wie Luke es mir geratenhatte, und das Thema Genevieve vernünftig angehen. Ich atmete tief durch, weil mir Mums Reaktion auf den Namen Grace wieder einfiel, und in meinem Kopf wirbelte herum, was Luke einmal zu mir gesagt hatte. »
Genevieve kennt dich von irgendwoher

und hat es wegen irgendetwas, das sie mit dir in Verbindung bringt, auf dich abgesehen.
«
    Auf den Gesichtern der alten Dame, der Pfarrersfrau und jetzt auch noch dem meiner eigenen Mutter war jedes Mal der gleiche angsterfüllte Blick zu sehen gewesen. War Mum denn etwa auch schon in Genevieves Spinnennetz gefangen? Es war mir jetzt unmöglich, untätig herumzusitzen, und so schickte ich Luke eine SMS.   Fünf Minuten später klopfte er an meine Tür und sah wie üblich aus, als sei er gerade aus dem Bett gestiegen.
    »Du hättest wirklich nicht gleich kommen müssen«, sagte ich entschuldigend, »aber ich kann das alles nur mit dir besprechen.«
    »Dann schieß mal los, Kat«, sagte er erwartungsvoll und mir kam es vor, als ob ihm dieses Katz-und-Maus-Spiel geradezu gefallen würde, auch wenn er mich bestimmt nicht leiden sehen wollte.
    Ich erzählte ihm von der Party, von Genevieves Enthüllungen und von Mums Reaktion, als ich den Namen Grace erwähnt hatte. Luke raufte sich die Haare, dann stand er auf und setzte den Wasserkessel auf. Er füllte zwei gehäufte Löffel Kaffee in einen Becher, gab drei Stück Zucker dazu, goss Wasser aus dem Kessel in den Becher, rührte energisch um und trank einen großen Schluck. Dann machte er sich über unsere Keksdose her, tauchte zwei Schokokekse in seine Tasse und sah mich nachdenklich an.
    »Warum fragst du sie nicht einfach?«
    »Mum spricht nicht gerne über ihre Vergangenheit«, erinnerte ich ihn. »Sie erzählt mir weder von meinem Dad noch, wo sie früher mal gearbeitet hat, und auch meine Großeltern sehe ich nur einmal jährlich. Es ist, als ob sich Mum absichtlich abgekapselt hätte.«
    »Du könntest es ganz vorsichtig probieren   … ohne sie zu drängen.«
    Ich atmete geräuschvoll aus. »Zurzeit gibt sie sich so viel Mühe, das will ich nicht kaputt machen. Eine einzige Verunsicherung   – und sie ist wieder da, wo sie begonnen hat   … in ihrem Einsiedlerleben, wenn du so willst.«
    Luke hob die Augenbrauen. »Dann weiß ich auch nicht weiter.«
    »Mir fällt da noch was ein   … es ist nur eine Idee, wahrscheinlich voll daneben und ich bräuchte auch deine Hilfe   …«
    Luke stöhnte und hielt sich die Ohren zu. »Ich weiß schon jetzt, dass das nur wieder Ärger bringt   – wenn nicht noch Schlimmeres. Und um was geht es?«
    »Um unseren Dachboden«, erzählte ich ihm schnell. »Mum hebt dort ihre ganzen Fotos und Briefe, Bücher, Möbel und so weiter auf… den ganzen alten Krempel eben.«
    Luke sah mich skeptisch an. »Aber versteckt hat sie da ganz bestimmt nichts. Sie ahnt doch sicher, dass du da oben stöbern könntest.«
    »Genau das ist der Punkt   … früher einmal hatten wir dort eine ausziehbare Leiter   … und eines Tages, als ich etwa zehn war, bin ich sie hochgeklettert und Mum ist völlig ausgerastet.«
    »Wahrscheinlich hat sie Angst gehabt, du könntest runterfallen.«
    Ich warf ihm meinen finsteren Blick zu. »Oder sie versteckt dort eben etwas. Nach diesem Zwischenfall verschwand die Leiter nämlich auf geheimnisvolle Weise und quasi über Nacht   …«
    »Ich kann Speicher nicht ausstehen«, brummte Luke. »Ich hasse den Staub da oben und die Spinnweben und diese gruseligen Fledermäuse und Gerippe.«
    »Gerippe gibt’s da keine«, sagte ich lachend und sah auf meine Uhr. »Mum ist bestimmt zwei Stunden unterwegs. Bist du bereit?«
    Luke nickte widerwillig und rollte sich die Ärmel hoch. Doch ausgerechnet jetzt, wo er eingewilligt hatte mitzukommen, war ich mit meinem Latein am Ende.

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