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Besessene

Besessene

Titel: Besessene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Hayes
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aber ich finde trotzdem, du bist zu hart zu Genevieve.«
    »Danke, dass du so ehrlich zu mir bist«, murmelte ich schlecht gelaunt.
    Sie fuhr sich mit der Hand durch die zerzausten Locken. »Was sie auch tut, du siehst es immer negativ, und wenn du von ihr sprichst, kommt es mir vor, als ob du eine völlig andere meinen würdest, die niemand sonst in Genevieve sieht.«
    »Das weiß ich«, räumte ich ein und biss mir heftig auf die Unterlippe.
    »Die Party gestern Abend war nicht ihre Schuld; aber ganz automatisch machst du sie dafür verantwortlich, ohne jeglichen Beweis. Und das passiert ja nicht zum ersten Mal.«
    »Ich brauche keinen Beweis   … ich weiß es eben einfach.«
    Nat deutete in eine Ecke ihres Zimmers. »Sieh dir mal das da drüben an. Das hat mir Genevieve zum Geburtstag gemacht. Es ist unglaublich schön und es zu malen, muss sie endlos Zeit gekostet haben.«
    Genevieves Geschenk war ein circa fünf Fuß hoher, getäfelter Paravent, der aus drei verschiedenen, mit Scharnieren aneinander befestigten Teilen bestand, und auf jede Tafel war eine andere Blume in zarten Rosa-, Lavendel-, Blassblau- und Elfenbeintönen aufgemalt. Der Paravent war wunderschön und ich hasste Genevieve umso mehr dafür, weil sie mir hatte weismachen wollen, dass ihr kein Geburtstagsgeschenk für Nat eingefallen war. Mein Kissen verblasste völlig neben diesem Paravent. Und plötzlich dehnte sich meine Zukunft auf beängstigende Weise vor mir aus: Genevieve würde mich niemals mehr in Ruhe, würde sich vielmehr jede Woche eine neue Foltermethode einfallen lassen, mit der sie mich ausschließen oder vorführen konnte. Ich hatte mir eingebildet, stark genug zu sein, um ihren Bösartigkeiten standhalten zu können, aber ich hatte mich geirrt. Doch wenn meine Freunde sich schon zwischen ihr und mir entscheiden mussten, war ja das vielleicht die Chance, die ich nutzen konnte.
    Ich fuhr mit der Zunge über meine trockenen, aufgesprungenen Lippen und hörte das Herz in meiner Brust wie eine Trommel schlagen. »Nat, es gibt da etwas, das du über Genevieve erfahren solltest. Eigentlich wollte ich es für mich behalten, aber ich glaube, es ist Zeit, es zu erzählen.«
    Doch Nat konterte sofort: »Nein, Katy,
du
musst etwas über Genevieve erfahren. Sie hat Hannah, Merlin und mir gestern Abend ein riesengroßes Geheimnis anvertraut.«
    Natürlich wollte ich unbedingt wissen, welche neuerlichen Lügen Genevieve verbreitet hatte, und so drängte ich Nat, ihre Neuigkeit zuerst zu erzählen. Aber sie sprang auf und sagte: »Erst mal hole ich uns was zu trinken. Warte du hier auf mich.«
    Als ich allein im Zimmer war, ging ich zum Fenster und ließ meine Hand über den Paravent gleiten; seine Oberfläche fühlte sich angenehm an und er war anspruchsvoll und einzigartig in der Gestaltung. So etwas ließ sich leicht für Hunderte von Pfund in einer Kunsthandlung verkaufen; kein Wunder, dass sich Nat so sehr darüber freute. Dann sah ich durch das Rollo auf die Alltagsszene unter mir   – auf Nats Vater, der sein Auto wusch, ihre Mutter, die das feuchte Laub zusammenrechte, und ihre kleine Schwester, die mit dem Rad durch eine Pfütze fuhr. Ich war an einem Wendepunkt in meinem Leben angekommen. Ich würde vielleicht niemals mehr mit Nat hier sitzen und stinknormale Dinge tun, denn was ich über Genevieve zu sagen hatte, das konnte ich nicht mehr zurücknehmen. Ich war kurz davor, Genevieve als Mörderin anzuprangern, und zu behaupten, dass ich den Beweis dafür erbringen könne. Genevieves Geheimnis mochte groß sein, aber meines war noch größer.
    Fünf Minuten später kam Nat mit zwei dampfenden Bechern Tee zu mir zurück. Ihr Gesicht glänzte vom Make-up-Entferner und ihre Haare hatte sie mit einem Riesenhaarclip festgesteckt, wodurch sie noch wilder wirkten als vorher. Sie sah so knuddelig und drollig aus, dass ich beinahe einen Rückzieher gemacht hätte, dann aber allen Mut zusammennahm   – ich musste da jetzt durch. Nat streifteeinen flauschigen Morgenmantel über, der an der Tür hing, und schlüpfte in ihre Schweinchenhausschuhe.
    »Genevieves Eltern sind gar nicht bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen«, begann sie zu erzählen. Ich horchte sofort auf. »Sie starben bei einem Brand in ihrem Haus und Genevieve war mit ihnen dort.«
    »Und warum hat sie dann gelogen?«, fragte ich Nat mit bangem Gefühl.
    »Der Gedanke, dass ihre Eltern bei lebendigem Leib verbrannt sind, sie selbst aber überlebt hat, verfolgt sie eben

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