Besser schreiben für Dummies (German Edition)
biologische Geschlecht. So können sprachliche Voreinstellungen durchaus die Sicht verengen; andererseits liefern sie Assoziationen und Ideen, die die Sicht erweitern. Diese Wirkung können Sie sich gerade beim Schreiben bestens zunutze machen.
Die Sprache unterbreitet von sich aus ein großes Angebot an Bildern und Anknüpfungspunkten.
Beim Schreiben wie beim Sprechen hat man es grundsätzlich mit zwei Aktionen zu tun: mit Auswahl und Verknüpfung.
Bei der Auswahl greift man unter fast gleichwertigen Wörtern dasjenige heraus, das der eigenen Vorstellung am nächsten kommt.
Bei der Verknüpfung kombiniert man die Wörter miteinander.
Beides macht man beim Sprechen meist unbewusst, und das ist gut so. Beim Schreiben jedoch kann man beides sehr bewusst machen, und das ist noch viel besser. Denn damit erschließt man sich ein ergiebiges Verfahren, um Gedanken hervorzubringen, abzuwägen und zu Texten zu verdichten. Das lässt sich vielleicht am besten anhand eines Beispiels nachvollziehen. Stellen Sie sich vor, Sie möchten positiv über eine Veranstaltung schreiben. Es kommen Ihnen die folgenden Möglichkeiten in den Sinn:
Die Veranstaltung war gut/gelungen/erfolgreich.
Unter den Adjektiven können Sie wählen; sie sind gegeneinander austauschbar. Für Ihre Wahl jedoch nehmen Sie nicht die Gleichheit ins Visier, sondern die Unterschiede: die Merkmale, die die jeweils anderen Adjektive nicht haben. »Gut« ist sehr allgemein und entsprechend schwach in der Aussage. »Gelungen« impliziert, dass es Hindernisse gab, die einem Gelingen im Wege standen. »Erfolgreich« zielt vor allem auf die Wirkung. Diese unterscheidenden Merkmale lenken die Gedanken in unterschiedliche Bahnen:
Die Veranstaltung war gut . Sowohl die Gäste als auch die Veranstalter zeigten sich zufrieden. Auch der Nachklang in der Presse war durch die Bank positiv. So schrieb etwa die Rhein-Zeitung , ...
Die Veranstaltung war gelungen . Wir konnten Fritz Icks als Redner gewinnen. Er sprach über »Unternehmenssicherung in der Krise« und rief mit seinen Thesen eine lebhafte Diskussion hervor.
Die Veranstaltung war erfolgreich . Wir hatten etliche Anfragen zu verzeichnen und konnten sieben neue Kunden gewinnen. Überwiegend handelt es sich dabei um Personen, die einen beruflichen Wechsel anstreben.
So hat jedes der drei Adjektive eine eigene Verknüpfung angeboten, und darüber sind drei verschiedene Texte entstanden. Das hat deshalb funktioniert, weil Sie der Sprache gefolgt sind. Das geht in vier Schritten:
Als Erstes sieht man sich das Wort genau an und zerlegt es in seine Bedeutungsmerkmale.
Über die Merkmale geht man von einem Wort zum anderen. Im Vergleich klärt man, wohin genau man will.
Man setzt das Wort, das am ehesten in die gewünschte Richtung deutet.
Man greift das Thema auf, das das Wort mit seinen wesentlichen Merkmalen anbietet.
Wenn Sie so vorgehen — analytisch und verknüpfend zugleich –, tun sich wie von selbst Zusammenhänge auf, die Sie sonst womöglich gar nicht gesehen hätten.
Ein Wort ergibt das andere. Fürs Schreiben können Sie das wörtlich nehmen. Voraussetzung ist, dass Sie nicht über die Sprache hinweggehen, sondern sie wirken lassen.
Testen Sie das Vorgehen mit dem folgenden Beispiel:
Die Kollegin ist krank/hat sich krankgemeldet/fehlt wegen Krankheit.
Vergleichen Sie, was genau in den drei Versionen gesagt wird, und bilden Sie entsprechende Anschlüsse.
Entscheidungen treffen
Die Sprache weist viele Wege auf: augenscheinliche und überraschende, gerade und gewundene, weitläufige und abrupt endende. Das alles sind Angebote. Welches Angebot Sie annehmen, das entscheiden Sie an jeder Kreuzung neu. Schreiben ist eine ganze Kette von Entscheidungen.
Entscheidungen beim Schreiben führen lange nicht immer schnurstracks zum Ziel, sondern manchmal auch auf Abwege: zu Widersprüchen, Irrtümern oder schlicht in die falsche Richtung. Meist merkt man das daran, dass das Schreiben stockt. Man kommt nicht mehr voran. Man tritt eine Zeit lang auf der Stelle, wird ungehalten und denkt, nichts geht mehr. Doch dann auf einmal weiß man, was zu tun ist: Man bricht ab, geht zurück, wiederholt, wechselt die Spur und fängt neu an. So ärgerlich das alles beim Schreiben sein mag, so nützlich ist es für den Text.
Jeder Holzweg, auf dem Sie als Autor kehrtmachen, ist einer, den der Leser nicht mehr zu gehen braucht.
Ein Text, der im Entstehen viele Möglichkeiten abgetastet hat, ist im wahrsten
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