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Besser so als anders

Besser so als anders

Titel: Besser so als anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Goldstein
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ihrem Mund und dem Telefon.
    »Du klingst ja furchtbar!«, sagte er.
    »Eigentlich fühle ich mich besser als gestern Abend, Liebling. Warte mal – wie viel Uhr ist es? Hat die Hochzeit denn nicht schon angefangen? Bist du in Annapolis?«, fragte sie und hustete.
    »Ich bin hier. Sie haben einander soeben das Jawort gegeben«, flüsterte Phil und fragte sich, ob irgendwer auf der anderen Seite der Toilettentür mithörte. Nancy fuhr fort, ihm Fragen zu den Feierlichkeiten zu stellen, die er jedoch zum Großteil ignorierte.
    »Wie sieht Barb aus? Und das Kleid der Braut? War Matt nervös? Was hast du an? Trägst du was Sauberes?«
    »Klar, Mom«, log Phil und überlegte, ob er vielleicht mit dem Raumspray, das in der Toilette stand, den Geruch nach Chicken Wings überdecken konnte. Doch dann verwarf er die Idee. Wenn er nach Raumduft und Hühnchenfleisch gleichzeitig roch, war das noch schlimmer.
    »Liebling, erzähl mir von Barb! Bestimmt platzt sie vor Stolz. Ihr jüngster Sohn hat geheiratet – sie ist sicher sehr glücklich.«
    »Ich habe sie noch nicht gesehen, Mom«, antwortete Phil gereizt und überging ihre Anspielung. »Sie saß ganz vorn, ich ganz hinten. Ich wollte niemandem die Sicht versperren.«
    Das würde Nancy nicht anzweifeln, denn Phil war stets zuvorkommend, was seine Größe anging. Auf Konzerten oder im Kino fühlte er sich meistens wie ein Riese, der jedem im Weg stand oder saß. Phils Exfreundin Elizabeth, die nur knapp einen Meter sechzig groß gewesen war, hatte sein Einfühlungsvermögen gegenüber kleineren Leuten immer beeindruckt. Bei ihrem zweiten Treffen hatte er sie in den historischen Charles-Filmpalast in Baltimore ausgeführt, dem einzigen Kino, das Kunstfilme zeigte. Elizabeth eilte vor ihm zur Mitte des Raumes, um die besten Plätze zu ergattern, doch Phil rief hinter ihr her und erklärte ihr, dass er mit seinen knapp zwei Metern Größe jedem normalen Menschen die Sicht versperren würde.
    »Wow«, sagte Elizabeth erstaunt. »Das ist wirklich, ähm, rücksichtsvoll von dir.«
    »Kleine Menschen sind auch nur Menschen«, antwortete Phil leicht sarkastisch, setzte sich auf einen Platz weiter hinten und vergewisserte sich, dass niemand hinter ihm und niemand vor ihr saß.
    »Versteh mich bitte nicht falsch«, sagte Elizabeth. »Ich habe einfach noch nie einen großen Menschen kennengelernt, der sich um kleinere Gedanken gemacht hätte. Ich habe immer das Gefühl, dass große Leute sich vor mich setzen und es ihnen völlig egal ist.«
    »Na ja, meine Mom ist eben auch nur ungefähr einen Meter fünfzig groß«, erklärte Phil ihr. »Ich bin es also gewöhnt, auf kleinere Leute Rücksicht zu nehmen.«
    »Wie süß«, sagte Elizabeth und schenkte ihm ein warmes Lächeln.
    Nur eineinhalb Jahre später fand Elizabeth Phils Sorge um seine Mutter gar nicht mehr süß.
    »Du bist in deine Mutter ja regelrecht verliebt!«, schrie sie während einer ihrer letzten Auseinandersetzungen, bevor sie aus der Wohnung stürmte und erst seine, dann ihre Tür hinter sich zuknallte. Sie waren nämlich Nachbarn, darum knallten auch immer zwei Türen, wenn sie sich stritten – eine direkt nach der anderen.
    Der Streit war ausgebrochen, weil Phil einen gemeinsamen Kurztrip nach Virginia Beach abgesagt hatte. Er hatte Elizabeth versprochen gehabt, über das Wochenende mit ihr dort hinzufahren. Alles war perfekt geplant – sie hatten sogar organisiert, in der Ferienwohnung eines Freundes von Phil zu übernachten – , doch einen Tag vor der Abreise erhielt Phil einen Anruf von Nancy. Sie lud ihn zum Abendessen ein und sagte, sie habe sein Lieblingsgericht, Filet Wellington, bereits zubereitet.
    »Ich habe zugesagt«, erklärte Phil Elizabeth.
    »Warum hast du ihr nicht einfach gesagt, dass wir wegfahren wollen?«, fragte Elizabeth verärgert.
    »Na ja, ehrlich gesagt klang sie etwas seltsam. Irgendwie einsam. Sie hat sechs Stunden damit verbracht, für mich Filet Wellington zuzubereiten, es steht schon im Kühlschrank. Ich möchte sie dieses Wochenende nicht alleine lassen. Ich habe einfach ein ungutes Gefühl, als könnte während meiner Abwesenheit irgendwas passieren. Nächste Woche hätte mein Vater Geburtstag gehabt. Vermutlich graut meiner Mutter vor dem Datum.«
    An der Stelle war Elizabeth ausgerastet. Zuerst buchstäblich, indem sie so wütend den Kopf schüttelte, dass ihre Wirbel laut knackten, und dann in emotionaler Hinsicht, als sie zum ersten Mal Phils Verhältnis zu seiner Mutter gezielt

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