Besser verhandeln - Das Trainingsbuch
verschoben sich unmerklich. Ich versuchte mit meiner Rechten einen Scheinangriff. Für den Bruchteil einer Sekunde folgten ihr seine Augen. Da stieß ich mit der Linken blitzschnell in sein Gesicht vor, so wie ich's gelernt hatte.
Durch die Wucht des Stoßes schnellte sein Kopf plötzlich zurück, und als er ihn wieder senkte, befand sich auf seinem Backenknochen eine rote Quetschwunde. Er richtete sich auf und ließ die Hände sinken. »Okay, Junge«, sagte er etwas mitgenommen, »das genügt für heute. Ich merk schon, du lernst rasch.«
Ich stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Ich war müde. Rasch knüpfte ich die Bänder meiner Boxhandschuhe mit den Zähnen auf.
»Nächste Woche ist Schulschluß, Danny.« Mr. Gottkin sah mich nachdenklich an.
Es gelang mir, einen Handschuh auszuziehen. »Ich weiß«, antwortete ich.
»Gehst du über den Sommer in ein Lager?« fragte er. Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Ich muß meinem Dad im Geschäft helfen.«
»Ich hab für den Sommer in einem Hotel in den Catskills eine Anstellung als Sportlehrer«, sagte er. »Ich könnte dir dort einen Posten als Pikkolo verschaffen, wenn du magst. Ich möchte die Stunden nicht gern unterbrechen.«
»Ich auch nicht, Mr. Gottkin« - ich sah zögernd auf meine Handschuhe -, »aber ich weiß nicht, ob Pop mir's erlaubt.«
Gottkin setzte sich auf die Couch. Seine Augen überflogen mich prüfend. »Wie alt bist du, Danny?«
»Dreizehn«, antwortete ich. »Hab in diesem Monat meine Bar Mitzvah gehabt.«
Er sah mich überrascht an. »Erst?« sagte er enttäuscht. »Ich dachte, du bist viel älter. Du siehst doch viel älter aus und bist größer als die meisten fünfzehnjährigen Buben.«
»Ich werde Papa jedenfalls fragen«, sagte ich hastig, »vielleicht erlaubt er mir, mit Ihnen zu gehen.«
Gottkin lächelte. »Ja, mein Kind, tu das nur. Vielleicht erlaubt er dir's.«
Ich steckte Rexie unterm Tisch ein Stückchen Fleisch zu und sah dann zu Papa hinüber. Er schien guter Laune zu sein. Er hatte soeben befriedigt gerülpst und seinen Gürtel gelockert. Jetzt rührte er den Zucker in seinem Teeglas um. »Papa«, sagte ich zögernd. Er sah mich an. »Ja?«
»Mein Sportlehrer hat in einem Hotel auf dem Land einen Job«, sagte ich überstürzt, und er sagt, wenn ich will, kann ich als Pikkolo mitkommen.«
Papa rührte weiter in seinem Teeglas, während ich ihn unverwandt ansah. »Hast du Mama schon etwas davon erzählt?« fragte er. Mama kam soeben aus der Küche. Sie blickte mich an. »Was sollst du mir erzählt haben?«
Ich wiederholte das, was ich Papa soeben gesagt hatte. »Und was hast du ihm geantwortet?« fragte sie mich. »Ich hab gesagt, daß ich Papa im Geschäft helfen soll, aber er hat gesagt, ich soll trotzdem fragen.«
Sie sah Papa einen Moment an, dann wandte sie sich wieder an mich. »Du kannst nicht mit ihm gehen«, sagte sie abschließend, ergriff eine Schüssel und wollte wieder in die Küche. Ich war enttäuscht, obwohl sie genau das gesagt hatte,
was ich erwartete. Ich betrachtete das Tischtuch.
Papa rief sie zurück. »Mary«, sagte er leise, »es ist eigentlich keine so schlechte Idee.«
Sie drehte sich wieder um. »Es ist beschlossen worden, daß er diesen Sommer zu dir ins Geschäft geht und dabei bleibt's! Ich erlaub ihm nicht, den ganzen Sommer allein wegzufahren. Er ist noch immer ein Kind.«
Papa trank seinen Tee in kleinen Schlückchen. »So ein Kind kann er wieder nicht sein, wenn er zu mir ins Geschäft kommen soll. Du kennst die Nachbarschaft zur Genüge. Außerdem kann ihm ein Sommer auf dem Land nur guttun.« Er wandte sich jetzt wieder an mich. »Ist's ein gutes Hotel?«
»Ich weiß nicht, Papa«, sagte ich und schöpfte wieder Hoffnung. »Ich hab ihn nicht gefragt.«
»Erkundige dich genau nach allen Umständen, Danny«, sagte er, »und dann werden Mama und ich uns entscheiden.«
Als sie aus dem Haus traten, saß ich auf den Verandastufen. Papa blieb vor mir stehen.
»Wir fahren mit Mr. und Mrs. Conlon zu einem Film ins Utica«, sagte er. »Denk dran, daß du um neun Uhr ins Bett gehen mußt.«
»Ja, Papa«, versprach ich. Ich wollte nichts tun, was meine Chancen, mit Mr. Gottkin aufs Land zu fahren, gefährden konnte. Papa schritt über den Fahrweg und läutete bei den Conlons. Jetzt trat auch Mimi, schon im Mantel, auf die Veranda. Ich sah sie fragend an. »Du gehst auch?«
In Wirklichkeit war's mir ganz egal. Wir standen seit der Bar-Mitzvah-Party auf keinem guten Fuß. Sie
Weitere Kostenlose Bücher