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Besser verhandeln - Das Trainingsbuch

Titel: Besser verhandeln - Das Trainingsbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Bewußtsein, daß sie erwachsen und kein Kind mehr war.
    Der Kerl zog sie wieder an sich. Erst sagte er etwas, dann küßte er sie. Ich sah ihnen, noch immer grinsend, dabei zu. Denn bei all ihrem großartigen Getue mußte ich feststellen, daß sie sich schon sehr genau auskannte, wenn sich's um ein recht ausgiebiges Geknutsche handelte. Es sah auch keineswegs so aus, als wäre sie zum erstenmal auf dem Dach. Ich drehte mich geräuschlos um und kehrte in mein Zimmer zurück.
    Etwa fünfzehn Minuten später hörte ich, wie sich die Wohnungstüre öffnete und trat rasch in den Vorraum. Sie schloß eben leise die Türe und erschrak furchtbar, als sie mich sah. »Danny, du bist noch auf?« fragte sie mich überrascht. Ich antwortete nicht, sondern grinste nur unverschämt. Sie starrte mich ärgerlich an. »Was grinst du denn so?«
    »Dein Lippenstift schmiert«, sagte ich und grinste noch frecher. Sie fuhr mit der Hand an ihren Mund. »Du bist bloß aufgeblieben, um mir nachzuspionieren!«
    »Mmmm«, machte ich kopfschüttelnd. »Du und dein Freund habt auf dem Hausdach gerade über mir einen derartigen Krach gemacht, daß ich nicht schlafen konnte.«
    »Du hast eine dreckige Phantasie!« warf sie mir vor. »Wirklich?« fragte ich, noch immer grinsend und zeigte auf ihr Kleid.
    Sie sah an sich hinab und riß die Augen vor Überraschung weit auf. Ihr ganzes Kleid war vorn mit Lippenstiftflecken beschmiert. Sie sah mich heftig errötend an.
    »Nimm einen Rat von deinem kleinen Bruder, Baby«, sagte ich. »Wenn du dich das nächstemal auf ein so tolles Geknutsche
    einläßt, dann wisch dir zuerst den Lippenstift ab.«
    Sie biß sich wütend auf die Lippen und war zu ärgerlich, um eine Antwort zu finden.
    Ich grinste höhnisch und kehrte in mein Zimmer zurück. »Gute Nacht, Mimi«, sagte ich über die Schulter, »und denk an meine Worte.«
    5
    Papa kam zum Frühstück, als wir gerade zu essen begannen. In seinem Gesicht waren Falten, die nicht allein von der Müdigkeit herrührten. Durch Kummer und Demütigungen entstanden, hatten sie sich scharf in seine einstmals runden Wangen gegraben. Quälendes Mitleid überkam mich; mein ausgeprägter Stolz wurde durch seinen langsamen Verfall schmerzlich verletzt. Ich stand auf. »Komm hierher, Papa«, sagte ich rasch, »setz dich ans Fenster.« Es war der bequemste Platz in der Küche.
    Er ließ sich langsam in den Sessel sinken. Dann sah er mich dankbar an. »Danke, Danny, daß du mir mein Abendbrot gebracht hast«, sagte er müde. »Ich war so beschäftigt, ich hab dich gar nicht hereinkommen sehen.«
    Ich nickte. »Der Verkäufer hat's mir gesagt«, erklärte ich, um ihn nicht zu verletzen. Ich wußte, er wollte nicht, daß ich zugab, etwas von dem Geschrei Mr. Golds gehört zu haben. Mama trat jetzt an den Tisch und stellte einen Teller mit Haferflocken vor ihn hin. »Warum hast du nicht länger geschlafen, Harry?« fragte sie bekümmert.
    Er sah zu ihr auf. »Wer kann denn bei Tageslicht schlafen? Ich kann mich nicht daran gewöhnen.«
    »Du solltest aber wenigstens ruhen«, sagte Mama. »Du
    arbeitest zu angestrengt.«
    Ergriff nach dem Löffel und begann, ohne zu antworten, zu essen. Er hatte jedoch keinen Appetit und schob den Teller bald wieder beiseite. »Gib mir bloß ein bißchen Kaffee, Mary«, sagte er mit müder Stimme.
    Mama stellte eine Tasse Kaffee vor ihn hin. »Hast du gestern wieder viel Arbeit gehabt?« fragte sie.
    »Mr. Gold hat mich ganz schön in Trab gehalten«, sagte er, ohne aufzuschauen. Dann sah er mich aber doch an, und ich bemerkte, daß er sich darüber Gedanken machte, wieviel ich gehört hatte. Ich machte ein harmloses Gesicht, ich wußte nichts, hatte nichts gesehen und nichts gehört. »Was für ein Mensch ist dieser Gold eigentlich?« fragte ich und blickte dabei auf meinen Teller. Ich fühlte, daß der Blick meines Vaters auf mir ruhte. »Warum fragst du?«
    Ich sah nicht auf. »Ach, bloß so, aus Neugierde«, antwortete ich. Ich konnte ihm den wahren Grund doch nicht sagen.
    Papa dachte einen Moment nach, und als er zu sprechen begann, hatte er seine Worte sorgsam gewählt. Er überraschte mich durch seine maßvolle Darstellung.
    »Er ist ein ganz ordentlicher Mensch, bloß sehr nervös. Er hat eben eine Menge Verantwortung und über viele Dinge zu entscheiden.« Ich schob noch einen Löffel Haferflocken in den Mund. »Arbeitest du gern für ihn, Papa?« fragte ich, so gleichgültig ich es fertigbekam.
    Unsre Augen trafen sich, da senkte er

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