Besser verhandeln - Das Trainingsbuch
drang bis zu mir herauf. Ich erinnerte mich an Spits Miene, als ich den Burschen meinen Plan zum erstenmal auseinandersetzte.
Er hatte Angst gehabt! Aber Solly war scharf darauf und das gewann schließlich auch Spit für den Plan. Nur wir drei sollten das Ding drehen. Zuerst mußten aber Golds Gewohnheiten bis ins letzte Detail festgehalten werden: denn das war
ausschlaggebend. Einer von uns mußte ihm, wenn er das Geschäft verließ, mehrere aufeinanderfolgende Nächte nachgehen und alle Aufenthalte und Gewohnheiten genau feststellen. In einer bestimmten Nacht wollten wir ihn dann überfallen. Aus der Sache waren, wie ich ihnen sagte, mindestens zweihundert Dollar herauszuschlagen. Und wir hatten nichts andres zu tun, als dem alten Schweinehund eins übern Kopf zu geben und ihm dann den Zaster abzunehmen. Es war kinderleicht. Ich hatte ihnen aber nicht erzählt, daß mein Vater in dem Laden arbeitete. Das ging sie nichts an.
Der Klang einer Mädchenstimme, der jetzt durch das offene Fenster drang, erinnerte mich an Nellie. Für eine Itakerin war sie schon ein merkwürdiges Ding. Denn die waren gewöhnlich laut und zäh, und wenn sie den Mund aufmachten, wußte man gleich, daß sie Italienerinnen waren. Sie war ganz anders. Sie sprach sanft und leise und gebildet. Und dann: sie hatte mich gern, das wußte ich jetzt. Es ist schon komisch, wie so was passiert. Man führt so ein Püppchen zu einem ganz bestimmten Zweck aus, und plötzlich bemerkt man, daß es um einen ganz anders steht, als man gedacht hat. Daß das Mädel es ehrlich meint, und daß man es wirklich gern hat. Und dann will man nichts tun, was ihr Widerwillen einflößen könnte. Das ist schon sehr merkwürdig. Bisher hatte ich das noch nie für ein Mädel gefühlt. Ich erinnerte mich an etwas, das sie gesagt hatte: »Vielleicht sind wir ineinander verliebt.« Ich hatte keine andre Erklärung für meine Gefühle. Es hatte noch nie ein Mädel gegeben, bei dem es mir genügt hätte, sie bloß ein bißchen an mich zu drücken, mit ihr zu reden und ihr nahe zu sein. Vielleicht hatte sie tatsächlich recht mit dem, was sie sagte.
Die Mädchenstimme drang wieder durchs Fenster. Ich streckte meinen Kopf hinaus. Die Straße war menschenleer. Und wieder hörte ich die Mädchenstimme. Ich kannte doch diese Stimme, sie klang aber verändert, wie sie so durchs Fenster zu mir drang. Jetzt sprach das Mädchen wieder. Diesmal konnte ich feststellen, daß die Worte vom Dach kamen. Ich sah hinauf. Nun erkannte ich die Stimme auch und sah oben am Dachrand das Aufglühen einer Zigarette. Es war Mimis Stimme. Ich fragte mich, was sie um diese Stunde auf dem Dach zu suchen hatte. Es war ein Uhr vorbei. Dann erinnerte ich mich, daß sie etwas von einem Rendezvous mit einem Burschen aus ihrem Geschäft erzählt hatte, in den sie verknallt war - irgendeinem George Dingsda. Ich hatte sie damit aufgezogen, daß sie mit einem lächerlichen Ladenschwengel ging, und sie war wütend geworden. »Jedenfalls besser als diese Gangster, mit denen du ständig in der Konditorei herumlungerst«, hatte sie erwidert. Ich beschloß, hinaufzugehen und nachzuschauen, was Miß Großmaul dort oben trieb. Ich wußte bestimmt, wenn in dieser Gegend jemand bei Nacht aufs Hausdach steigt, dann tut er es nicht, um die Sterne zu betrachten.
Ich schlüpfte in meine Hosen und verließ geräuschlos das Zimmer. Die Türe zum Dach stand offen, und ich trat leise hinaus. Dort versteckte ich mich im Schatten der Türe und suchte das Dach mit meinen Blicken ab. Sie war tatsächlich hier oben und noch dazu mit ihrem Freund. Sie waren verteufelt eng aneinandergepreßt! Ich beobachtete sie.
Jetzt trennten sie sich voneinander, und ich konnte Mimis Gesicht im Mondlicht genau erkennen. Ich zog den Atem scharf ein. Jetzt sah sie keineswegs wie ein anständiges Mädel aus. Der Kerl sprach leise auf sie ein. Ich konnte die Worte nicht verstehen, aber er schien sie zu bestürmen. Mimi schüttelte den Kopf, und er begann wieder mit einem Wortschwall.
Sie schüttelte nochmals den Kopf, dann sagte sie: »Nein, George, schlag dir den Gedanken an eine Heirat aus dem Kopf. Ich hab dich sehr gern, aber ich hab es satt, mir wegen Geld immer Sorgen zu machen. Bei uns beiden wäre es nicht anders als hier. Nein, ich will nicht.«
Ich grinste. Mimi war nicht dumm. Ein Dollar war schließlich ein Dollar. Es war aber doch sonderbar, daran zu denken, daß sie heiraten könnte, und dieser Gedanke brachte mir zum
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