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Besser

Besser

Titel: Besser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Knecht
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lassen und fortgehen wie nicht seine Mutter, einfach nicht mehr da sein, wie meine Mutter, und den Spalt suchen, der manchmal, in unerwarteten Momenten, jäh die Mauer aufreißt und mir zeigt, was dahinter wäre, was ich versäume. Ich könnte meine Hand durchstrecken, meine Schulter, mich durch den Spalt zwängen und darin verschwinden.

    Ich gehe in die Hocke und packe mein Kind mit beiden Händen an beiden Armen. Ich packe ihn sehr fest, zu fest. Diese kindliche Unnachgiebigkeit … Ich habe immer verstanden, warum es vorkommt, dass Eltern ihre schreienden Säuglinge zu Gemüse schütteln. Ich glaube, alle Eltern verstehen es, sie reden nur nicht darüber. Kinder graben etwas aus einem heraus, von dem man nicht wusste, dass es da ist, dass man es hat, aber fast alle, auch wenn sie die superentspannten Mich-bringt-nichts-aus-der-Ruhe-Eltern geben, haben es in sich: die Wut, den einen Schlag, der für Ruhe sorgen wird. Alle haben sie es, mehr oder weniger vergraben. Ich auch, und Juri spürt jetzt, dass ich es habe. Er jault, aus Schmerz und aus Angst.
    «Du beruhigst dich jetzt. Wir holen jetzt Elena ab. Du beruhigst dich jetzt.»

    Es ist nicht immer so. Manchmal schaffe ich es, ihn einfach auf der Straße liegen und schreien zu lassen, fünf, zehn Minuten lang, ich lehne mich an eine Hausmauer und schaue ihm zu und rede beruhigend auf ihn ein, bis er von selbst aufhört, beuge mich runter, streichle ihm über den Kopf und den Rücken, es macht mir nichts aus, dass er mich abschüttelt und nach mir schlägt. An ganz guten Tagen, an diesen entspannten, gelassenen Tagen, an denen ich mich vollständig fühle und an denen es mir egal ist, was die Leute über mich denken und ob sie denken, wie Unterschicht ist die denn, krame ich meine Zigaretten heraus und lehne mich an eine Wand, während Juri brüllt. Ich stehe an der Mauer und rauche und denke vor mich hin und überlege, was ich am Abend kochen werde, und an Adam, an den Krach am letzten Abend und daran, dass ich einen Zahnarzttermin für Elena ausmachen sollte. Während mein Kind mit rotem Schädel auf dem Gehweg kniet, auf den Asphalt einschlägt und schreit und aus seinem Babyzorn nicht herauskommt. Sie haben in diesem Alter keine Exitstrategien, es hört einfach auf, früher oder später. Irgendwann hört es immer auf, weil sie dann einfach erschöpft sind. Einmal habe ich, was ich normalerweise in Gegenwart der Kinder nicht tue, einen Mini-Joint aus der Spezialdose in meiner Tasche geraucht, als sich Juri auf den Boden warf. Er brüllte, ich kiffte, er brüllte lauter, ich wurde bekifft, er brüllte, als werde er nie wieder damit aufhören, es war mir völlig egal. Ich ließ ihn dort liegen und brüllen, ich lachte ihn aus und vervielfachte seine Wut, eine halbe Stunde lang oder so, ich vergaß die Zeit. Ich saß auf dem Vorsprung eines Schaufensters und schaute ihm zu und fand es – witzig. Ja, witzig. Und merkwürdig. Und witzig. Es hatte nichts mit mir zu tun. Da war ich, dort war er, dazwischen keine spürbare Verbindung. Ich habe das seither nie wieder gemacht, weil mir nachher klar wurde: dass ich so stark das Gefühl hatte, nicht dazuzugehören, dass mich das eigentlich gar nichts angeht und ich nur durch Zufall hier bin – das ist gefährlich. Das geht nicht. Wenn man Kinder hat, geht das nicht. Wenn man Kinder hat, muss man ihnen angehören, auch ihren Launen und Charakterschwächen. Man muss die Verbindung spüren, immer, man darf es nicht zulassen, dass man sie nicht spürt. Man muss sich um sie kümmern, um sie kümmern wollen, auch wenn man sie gerade schrecklich findet. Man darf das Gefühl nicht zulassen, dass es okay wäre, jetzt einfach wegzugehen, einfach zu verschwinden, durch einen Spalt oder keinen Spalt, ganz egal.

    Ich stelle Juri auf die Füße und sehe ihn böse und kalt an.
    «Wir holen jetzt Elena ab. Okay? Wir gehen jetzt deine Schwester holen.»
    Ich lasse seine Arme los, schiebe den Henkel meiner Tasche auf die Schulter, greife mit einer Hand nach dem Laufrad, packe ihn mit der anderen am Handgelenk und gehe los. Er lässt sich widerwillig ziehen, aber fallen lässt er sich nicht. Er weint jetzt schluchzend vor sich hin, in einer Mischung aus Schock, Verzweiflung und Verlassenheit. Ich sollte Mitleid mit ihm haben. Er kann nichts dafür. Er kann nichts tun gegen seine Wut und seinen Trotz, er kann nichts tun gegen mich. So wie ich nichts gegen ihn tun kann und das Gewicht meiner Tasche und das Laufrad, das bei jedem Schritt

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