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Besser

Besser

Titel: Besser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Knecht
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ein.

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    Einundvierzig
    «Seit wann bist du denn Katholikin?», sagte Astrid.
    «Wieso? Bin ich nicht.»
    «Aber du benimmst dich so. Genau wie eine Katholikin.»
    «Warum das denn, bitte?»
    «Na, ich weiß doch nicht, warum du das tust.» Ich hatte meine Schwester selten so schlecht drauf erlebt. Und so aggressiv.
    «Sei nicht doof jetzt.»
    «Das ist total katholisch, was du da aufführst», sagte Astrid.
    «Blödsinn.»
    «Kein Blödsinn. Du planst einen kindischen, katholischen Bußhandel.»
    «Sagst ausgerechnet du? Du wolltest doch immer, dass ich mich entscheide! Du! Du hast immer gesagt, man könne nur einen lieben.»
    «Du tust das ja jetzt nicht, weil du nur einen liebst. Du willst büßen. Du willst eine Art innere Pilgerfahrt nach Lourdes machen.»
    «Aha?»
    «Du glaubst, du könntest Gott damit besänftigen.»
    «Ich glaube nicht an Gott.»
    «Da hab ich aber jetzt einen ganz anderen Eindruck.»
    «Blödsinn.»
    «Total katholisch.»
    «Hör jetzt auf. Jetzt mache ich endlich das, was du immer von mir wolltest, und du prügelst mich dafür. Ausgerechnet du!» Ich bereute, dass ich sie angerufen hatte. Was ich deshalb getan hatte, weil auf meine Mail anderthalb Tage lang keine Reaktion gekommen war, nichts. Das hatte mich verunsichert. Und ich wollte von Astrid eine euphorische Bestätigung erhalten, dass ich das Richtige gemacht hatte. Nun bekam ich das Gegenteil, und das brauchte ich jetzt überhaupt nicht. Und ich hatte damit auch in keiner Weise gerechnet.
    «Hätte ich dich anlügen sollen?», sagte Astrid. «Ich konnte dir doch nicht sagen, dass ich das gut fand.»
    «Ja, das hatte ich zufällig schon mitgekriegt.»
    «Ich fand’s immer blöd, dass du das nötig hattest, wo du doch eh alles hast, Adam, die süßen Kinder, das gute Leben. Dass du das alles riskiert hast.»
    «Eben.»
    «Aber», sagte Astrid, «merkwürdigerweise hat es dir gut getan. Und Adam hat’s ja nicht geschadet.»
    «Hat es nicht, aha.»
    «Ja, hat es nicht. Und das Schicksal wirst du mit dieser Aktion nicht besänftigen. Das ist es doch, was du willst, oder.»
    «Ich bestimme mein Schicksal selbst», sagte ich. «Ich entscheide mich. Du hast mich immer gedrängt, dass ich mich entscheide.»
    «Ja, eh», sagte Astrid. «Aber ich glaube nicht, dass dich das jetzt weiterbringt. Nicht das.»
    «Und was dann? Nein, sag’s mir nicht.»
    «Ja, ich weiß, das willst du nicht hören», sagte Astrid. «Genau das willst du nicht hören. So viel Wahrheit erträgst du dann doch nicht.» Dieses Gespräch begann, entschieden in die völlig falsche Richtung zu laufen.
    «Wieso bist du heute so deppert?»
    «Ich bin nicht deppert.»
    «Bist du wohl.»
    «Ich bin im Stress, ich muss zurück an die Arbeit, ich muss heute früher weg. Und was richtig wäre, weißt du sowieso selber am besten.»
    «So, weiß ich das.»
    «Ja, das weißt du. Aber du bist offenbar noch lange nicht so weit, das zu akzeptieren. Falls du es je sein wirst.»
    «Geh wieder arbeiten», sagte ich.
    «Das tue ich», sagte Astrid. «Und danach fahr ich nach Linz.»
    «Aha.»
    «Und in Linz besuche ich deine sterbende Schwester im Krankenhaus.»
    «Ich dachte, die wäre schon längst tot.»
    «Noch nicht ganz. Und dann fahre ich zu deiner Mutter. Zu deiner alten, einsamen, depressiven Mutter. In dein Elternhaus.»
    «So», sagte ich.
    «Ja», sagte Astrid, «tschüss also.»
    «Tschau», sagte ich.

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    Zweiundvierzig
    Meine Mutter hatte braunes Haar, braun wie Milka-Alpenmilch-Schokolade. Als ich klein war, nannte sie mich Rehlein. Das erste Geschenk von ihr, an das ich mich erinnere, war ein von ihr selbst gehäkeltes Kaninchen aus gelber und brauner Wolle, als Augen hatte sie ihm hellblaue Knöpfe angenäht. Sie konnte gut häkeln und stricken, und sie nähte viel, wahrscheinlich, weil sie zu wenig Geld hatte, um sich und uns Sachen zu kaufen. Ich habe noch ein Foto, auf dem wir Mädchen alle die gleichen orangefarbenen Kleider tragen, mit kurzärmeligen Häkeljäckchen aus weißem Garn. Ihre Haare wurden schon grau, als ich noch klein war, sie hatte immer einen Pagenschnitt mit Stirnfransen, nie etwas anderes. Sie ist nicht groß, einen Meter fünfundsechzig oder so, aber ihre Füße sind riesig. Als wir klein waren, buk sie uns immer weiche, unförmige Brezeln aus Brotteig, mit Mohn oder Salz darauf. Sie brachte mir bei, wie man strickt, wie man Nagellack aufträgt und wie man original französische Crêpes bäckt. Als

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