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Bestimmt fuer dich

Bestimmt fuer dich

Titel: Bestimmt fuer dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Rognall
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schließlich hatte Rosanna schon als kleines Kind eins lernen müssen: dass es eine absolute Gewiss heit nicht gab.
    Im Laufe der Jahre hatten ihre Schwester und ihr Vater zwar schonend versucht, Rosanna wieder auf ihren religiösen Kurs zurückzubringen, aber zu dem Zeitpunkt hatte sie sich als Pubertierende stets neuen, gern kontroversen Ansichten hingegeben, sodass eine Einigung nicht mehr möglich gewesen war.
    Dass sie jetzt einen Punkt erreichte, an dem sie nur noch an das glauben wollte, was sie sah, erfüllte Rosanna allerdings nicht mit der erwarteten Ruhe. Wenn sie ehrlich war, fehlte ihr die Hoffnung, dass alles irgendwann irgendwie irgendeinen Sinn ergeben würde.
    So saß Rosanna noch eine Zeit lang mit ihrem zerrissenen Kleid in den Händen da und überlegte, wie ihr nächster Schritt aussehen sollte. Dann stand sie auf, um ihr Telefon zu suchen. Das Kleid hatte sie auf dem Küchentisch zurückgelassen.

31
    Lukas wachte auf. Sonnenlicht durchflutete sein Schlafzimmer – es musste bereits später Vormittag sein.
    Er stellte fest, dass er sich nicht entkleidet hatte, bevor er in der Nacht auf sein Bett gesunken und eingeschlafen war. Er erinnerte sich daran, Janes Fotos, die Dominik beim Betrachten um sich herum verstreut hatte, eilig in den Karton zurückgeworfen und diesen in die Dunkelheit unter dem Bett geschoben zu haben. Danach hatte er sich erschöpft zurückgelehnt und gehofft, wenigstens für ein paar Stunden alles vergessen zu können. Was ihm wider Erwarten gelungen war.
    Lukas stand auf, entkleidete sich und stieg unter die Dusche. Er fragte sich, in welcher Verfassung Rosanna heute Morgen aufgewacht war. Ob sie vielleicht sogar in diesem Moment an ihn dachte, und wie lange es dauern würde, bis sie damit endgültig aufhörte. Noch immer empfand er mehr für sie, als ihm geheuer war. War es besser, sie schnellstmöglich zu vergessen? Konnte er das?
    Jane hatte er nicht vergessen. Sie war immer bei ihm und würde es auch bleiben. Aber schon seit eini ger Zeit hatte Lukas das Gefühl, dass es schwieriger wurde, ihre Stimme zu hören oder ihr Gesicht zu sehen. Natürlich gab er sich daran die Schuld, obwohl Jane ihm im Scherz einmal versichert hatte, dass es ihr, sollte sie vor ihm sterben, nach dem Tod langweilig werden würde, immer nur in seiner Nähe zu bleiben – sie hätte auf jeden Fall vor, sich öfter mal von ihm zu verabschieden, um John Lennon zu besuchen oder Cary Grant oder all die anderen, an die man sonst so schwer herankam.
    Lukas war oft versichert worden, dass der Tag kommen würde, an dem seine Trauer und vielleicht sogar seine Schuldgefühle ein Ende finden würden. Aber je mehr Zeit vergangen war, desto unsicherer wurde sich Lukas diesbezüglich. Jetzt, da Rosanna aus seinem Leben verschwunden war, ertappte er sich sogar bei dem Gedanken, diesen Tag weiter hinausschieben zu wollen.
    Warum auch nicht? Die Jane, mit der er in den letzten fünf Jahren zusammengelebt hatte, war zwar nicht greifbar gewesen, aber dennoch eine verlässliche Begleiterin. Und solange er sie mit seinen Gedanken am Leben hielt, war er nicht allein. Die Gespräche, die er mit ihr führte, waren zwar einseitig, aber man konnte nicht alles haben. Und indem er sie steuerte, blieben bittere Wahrheiten verborgen. War das feige? Und wenn schon! Der Gedanke an Jane war wie ein Anker, der ein Schiff daran hinderte, selbst beim heftigsten Sturm aus dem sicheren Hafen getrieben zu werden. Aber Lukas wusste eben falls, dass Jane ihn ermutigt hätte, den Anker irgendwann einzuholen und den Hafen wieder zu verlassen.
    Das Wasser wurde plötzlich kalt. Lukas stellte es ab und wischte sich zitternd über das Gesicht. Wie kam er auf solche Gedanken? Klaubte sich sein Unterbewusstsein irgendeine Rechtfertigung zusammen, damit er einen erneuten Versuch unternehmen konnte, Rosanna doch noch von ihrer Chance zu überzeugen?
    Lukas stieg aus der Dusche und trocknete sich ab. Er beschloss, nach einem ausgedehnten Frühstück im neuen Café an der Ecke, das er schon lange einmal hatte ausprobieren wollen, in die Redaktion zu fahren und mit Evas Nachfolger – wer auch immer das sein mochte – über die Zukunft zu sprechen. Damit würde er sich nicht nur von kindischen Wünschen ablenken, sondern etwas Produktives tun.
    Er kleidete sich an, kämmte sein noch feuchtes Haar und begutachtete sich im Spiegel. Selbst wenn er Rosanna noch einmal aufsuchen würde – womit könnte er sie überzeugen, wenn ihm selbst der Mut

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