Bestimmt fuer dich
Buchstabensteinchen und fügte ihrem bereits gelegten Vornamen ihren Nachnamen B-A-R-T-E hinzu. Sie erinnerte sich daran, als Kind zusammen mit ihren Freundinnen aus Namen neue Wörter zusammengesetzt zu haben, Anagramme, die völlig andere Bedeutungen aufzeigten, so albern die auch waren. Rosannas Name hatte dabei besonders viele Neubildungen ermöglicht. So konnte aus ROSANNA BARTE auch ANANAS ROBERT werden, woraus ihre Freundinnen gern schlossen, dass eine mystische Verbindung zwischen Rosanna und Klassenkamerad Robert bestand, der zu allem Überfluss tatsächlich gerne Ananas aß, was ihn für Rosanna, die dagegen allergisch war, erst recht unerträglich machte. Zudem ließ sich aus ihrem Namen eine Anleitung für die Zubereitung von Fleisch ableiten ( ANBRATEN ROSA ), vortrefflich über ihre Neigung spotten, andere zu beobachten ( ANSTARREN ABO ), oder eine Verbindung zu einem zwielichtigen Etablissement ihrer Heimatstadt herstellen, der berüchtigten SANTA BAR NERO .
Heute konnte Rosanna über solche Verunglimp fungen ihres Namens lachen, weil sie natürlich nichts über sie, sondern nur die Zufälligkeit bestimmter Buchstabenkombinationen aussagten. Tatsächlich er laubte ihr Name die merkwürdigsten Umformungen. Amüsiert setzte sie aus den Buchstabenstein chen RASANT BARONE zusammen, dann SAAT NARR OBEN . Ihr Lächeln verschwand jedoch, als sich etwas ergab, das sie nie zuvor aus ihrem Namen gebildet hatte.
A SATAN REBORN .
Rosanna musste schlucken. Ein wiedergeborener Teufel? Verärgert wischte sie die Buchstaben wieder auseinander. Was für ein Unsinn. Trotzdem kramte ihr Gedächtnis sofort den katastrophalen Besuch bei Lars und Carolin hervor und – schlimmer noch – die Prophezeiung des großen Shandu. Aber nein. Damit wollte Rosanna gar nicht wieder anfangen.
Um die Unruhe in sich loszuwerden, beschloss Rosanna, sich die Beine zu vertreten. Sie erhob sich, ließ den kleinen Jungen die Buchstabensteinchen auf andere Reisende schießen und marschierte zwischen den Sitzreihen zum Ausgang des Wagens, als sie plötzlich Fritz’ Stimme hörte.
»An der nächsten Station muss ich aussteigen. Könnten Sie mir dabei behilflich sein?«
Rosanna sah den alten Mann verwundert an. »Natürlich«, antwortete sie. Fritz lächelte und wandte seinen Blick wieder zum Fenster.
Rosanna zögerte. »Erinnern Sie sich an mich? Wir sind uns schon einmal begegnet.«
»Ich weiß«, sagte Fritz. »Und wahrscheinlich fragen Sie sich, warum ich so ganz allein unterwegs bin.« Er zuckte die Achseln. »Weil ich getürmt bin.«
»Und das ist … in Ordnung?«
»Sie reisen doch auch allein. Oder ist Lukas bei Ihnen?«
Rosanna schüttelte den Kopf.
Fritz musterte sie wehmütig. »Werden Sie ihn jetzt anrufen und mich verpfeifen?«
»Nein«, antwortete Rosanna nach einer Pause. »Ich finde, Ihnen sollte niemand mehr Vorschriften machen.«
Fritz lächelte. »Ich fahre zu meinem Bruder«, erklärte er vorsichtig und stellte zu seiner Erleichte rung fest, dass Lukas ihr nicht viel über ihn erzählt haben konnte, schon gar nicht, dass Herbert vor Jahren verstorben war. »Er ist jünger als ich«, erklärte Fritz mit charmantem Lächeln, »und wird sich ein wenig um mich kümmern. Wir besitzen ein Haus an der Küste, wissen Sie? Und ich liebe das Meer.«
»Ich auch«, erwiderte Rosanna. Und aus irgendeinem Grund hatte sie auf einmal das Gefühl, dass sie nicht bis zur Endstation im Zug sitzen bleiben sollte.
37
»Ist das geil oder was? Ich sag ja immer: Reisen macht viel mehr Spaß zu zweit. Was meinst du?«
Lukas spähte demonstrativ durchs Seitenfenster und hoffte, dass Dominik sich auf den Verkehr konzentrierte, durch den er sie beide gerade mit seinem verrosteten Kleinwagen steuerte.
Die Bahnpolizei in Immensee hatte Lukas versi chert, dass sie Fritz abfangen und beaufsichtigen würde, bis auch er eingetroffen wäre, um mit ihm die Rückfahrt anzutreten. Die Vorstellung, den alten Mann so kurz vor seinem Ziel aufzuhalten, bereitete Lukas allerdings ein schlechtes Gewissen. Durfte er wirklich Fritz’ vielleicht letzten großen Wunsch durchkreuzen? Wenn er es tatsächlich bis Immensee schaffte, sollte Lukas ihm dann nicht helfen, zumindest für ein paar Stunden den Ort seiner Kindheit wiederzusehen? Aber was wäre, wenn sich Fritz’ Gesundheitszustand aufgrund der Strapazen der Reise verschlechterte oder er sogar in seiner Gegenwart starb?
»Ich fühl mich auch überhaupt nicht ausgenutzt«, beteuerte Dominik.
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