Betörend wie der Duft der Lilien
schwaches, unstetes Licht hervor. Calliope klopfte nicht an, sondern öffnete mit angehaltenem Atem sanft die Tür und blieb auf der Schwelle stehen.
Der Raum lag im Dunkel, nur die züngelnden Flammen im Kamin spendeten etwas Licht. Clio hockte neben dem Feuer, in einen weißen Morgenmantel gehüllt. Das rotbraune Haar fiel ihr offen über den Rücken, und auf ihren Brillengläsern spiegelte sich das Orangerot der Flammen. Mit völlig ausdrucksloser Miene speiste sie das Feuer mit Fetzen grüner Seide.
„Clio“, sagte Calliope sanft.
Clio zuckte zusammen und wirbelte herum, als wolle sie sich auf sie stürzen. „Calliope!“, rief sie. „Schleich dich doch nicht so an mich heran. Mein armes Herz!“
„Tut mir leid. Ich war mir nicht sicher, ob das wirklich du bist oder irgendein Trugbild.“ Sie ging langsam auf Clio zu und streckte die Hände aus, als wollte sie zeigen, dass sie unbewaffnet war. Dann hockte sie sich neben sie auf die Fersen und betrachtete die Überreste des Medusa-Kostüms.
„Was ist heute Abend passiert, Clio?“, fragte sie. Sie legte die Fingerspitzen auf einen goldenen Ärmelsaum, der steif war vor geronnenem Blut.
Clio starrte stur in die Flammen. „Was meinst du?“
„Lord Westwood und ich haben ihn gefunden. Den Duke. Mit einem Fetzen grüner Seide in der Hand.“
„Ist er … tot?“
„Nein, noch nicht.“
„Und was hat er gesagt?“
„Er war nicht bei Bewusstsein. Lord Westwood hat Hilfe geholt, und als man den Duke fortgebracht hatte, bin ich nach Hause gekommen, um dich zu suchen.“ Calliope konnte sich nicht länger beherrschen; innig umarmte sie die Schwester. „Ach, Clio. Ich habe mir solche Sorgen gemacht!“
Clio erstarrte zunächst, dann sank sie gegen Calliopes Schulter und klammerte sich an ihr fest. „Callie, es war … entsetzlich!“
„Jetzt bist du in Sicherheit, Liebes. Wirklich.“ Mindestens so sehr wie ihrer Schwester versuchte Calliope sich selbst gut zuzureden. „Warum wart ihr überhaupt beide dort?“
„Ich war so dumm.“ Clio wandte sich ab und wischte sich die Wangen mit dem Ärmel des Morgenmantels ab. „Ich wollte mir die Alabastergöttin in Ruhe ansehen, ohne diese gaffenden Horden. Einer der Diener hat mir verraten, wo sie stand, und ich habe mich hingeschlichen. Aber er muss mich beobachtet haben. Er ist mir in die Galerie gefolgt, und als ich mir gerade die Göttin ansah, hat er …“
„Hat er – was?“
Clio schüttelte heftig den Kopf. „Ich will nicht darüber reden. Aber er ist nicht weit gekommen, Callie. Er hat mich nur geküsst, und Artemis hat mich gerettet.“
Calliope lächelte sie sanft an. „Sie ist also von selbst von ihrem Sockel gehüpft?“
Clio lachte. Angespannt und gedämpft zwar, aber immerhin. „Na ja, sie brauchte schon etwas Nachhilfe. Ich wollte nur, dass er von mir ablässt. Doch dann dachte ich, ich hätte ihn umgebracht!“ Sie streckte einen zitternden Arm aus. „Jetzt klebt sein Blut an mir.“
Calliope ergriff die Hand und hielt sie ganz fest. „Er lebt und wird sich wohl erholen – leider. Hoffentlich ist wenigstens sein Gedächtnis ordentlich durchgeschüttelt worden.“
„Meinst du, er wird den Mund halten?“
„Ich glaube nicht, dass er etwas sagen wird. Über eine Frau herfallen und sich dabei so dumm anstellen, dass sie ihn überwältigen kann – das ist nichts, womit ein Gentleman prahlen würde.“
„Ein Gentleman nicht. Aber wer weiß, wie dieser Besessene denkt.“
Sie saßen ein Weilchen eng umschlungen vor dem knisternden Feuer. Draußen dämmerte es allmählich, und eine Lerche stimmte ihr Lied an. London erwachte zu neuem Leben.
„Ich muss dir etwas zeigen.“ Clio erhob sich unsicher und ging zu ihrem Bett hinüber. Unter der Matratze zog sie ein zusammengefaltetes, zerknittertes Blatt Papier hervor, das mit einer feinen schwarzen Handschrift bedeckt war. Eine Ecke fehlte.
„Was ist das?“, fragte Calliope, als Clio sich wieder setzte.
„Keine Ahnung. Als ich … als Artemis sich auf den Duke gestürzt hat, ist die hölzerne Basis aufgesprungen, und dieses Blatt fiel heraus.“
„Ach ja! Ich habe die fehlende Ecke gesehen. Aber was steht da?“
„Es ist eine Liste.“ Clio breitete das Papier auf dem Kaminvorleger aus. „Aber ich werde nicht schlau daraus.“
Calliope beugte sich vor und versuchte die winzigen Wörter zu entziffern. „Cicero. Die graue Taube. Der Sizilianer. Die violette Hyazinthe. Spitznamen?“
„Vielleicht. Es sind insgesamt
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