Betörend wie der Duft der Lilien
hatte seine Ehefrau durch die Brandung getragen, damit sie den heiligen Boden trockenen Fußes betreten konnte. Skeptisch betrachtete Calliope die karge graubraune Landschaft.
„Was meinst du, werden wir heute Götter zu Gesicht bekommen? Werden die Wolken sie nicht vertreiben?“
„Nur Geduld, meine Liebe“, meinte Cameron lächelnd, „Die Götter erscheinen nie auf Verlangen. Sie sind genauso wankelmütig wie die Musen.“
„Oh – war ich letzte Nacht wankelmütig ?“
Er lachte. „Nicht im Mindesten! Komm, ich führe dich zu den Ruinen.“
Glücklich betrachtete sie ihren Gatten. An ihrem Hochzeitstag hatte sie geglaubt, dass er nie besser aussehen könnte als dort vor dem blumengeschmückten Altar, aber sie hatte sich geirrt: Hier gehörte er her, in dieses alte, raue Land voller Licht und Seeluft, voller Aromen und Farben. Hier war er wirklich Apoll, und auch sie fühlte sich lebendiger als je zuvor.
Der Weg wand sich zwischen Distelgestrüpp und vertrockneten Gräsern, zwischen verkrüppelten Bäumen und verwitterten Felsbrocken hindurch. Sie betraten das Heiligtum dort, wo einst der Apollo-Teich gewesen war. Das leere Becken und die Überreste der steinernen Schwäne wurden von einem flachen Fundament aus demselben silberweißen Marmor überragt.
„Hier hat sie einst gestanden, eure Alabastergöttin“, erklärte Cameron leise.
Staunend legte Calliope die Hand auf den von der Sonne aufgeheizten Sockel. Zum ersten Mal verstand sie Clio wirklich: ihre Verzweiflung darüber, die Göttin in den Klauen des Duke zu wissen, wo sie doch eigentlich hierher gehörte. Auch wenn von der al ten Pracht kaum etwas übrig war, blieb dieser magische Ort doch Artemis’ wahre Heimat.
„Ich habe gehört, dass Apoll und Calliope einst zusammen nach Delos gekommen sind“, sagte sie träumerisch. „Hier sollen sie Orpheus bekommen haben, den größten aller Musiker.“ Sie griff nach Camerons Hand und legte sie sich flach auf den Bauch. „Was meinst du: Werden wir auch einen Orpheus bekommen? In … knapp acht Monaten?“
In Camerons Augen las sie erst Verwirrung, dann Begreifen und schließlich schiere Freude. Und sie küssten sich unter dem wilden griechischen Himmel, um das neue Leben zu feiern, dem der besondere Segen der Alabastergöttin gewiss war.
– ENDE –
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