Betörend wie der Duft der Lilien
ausgetauscht und miteinander getuschelt. Alle Welt hielt diese Gruppe für ein harmloses Kränzchen junger Damen, die die Zeit bis zur Verehelichung mit erbaulicher Lektüre totschlugen, aber er hatte immer schon mehr dahinter vermutet. Eine Gesellschaft, an der die Chase-Schwestern teilhatten, konnte wohl kaum harmlos genannt werden. Und jetzt gehörte er gewissermaßen dazu. Gott stehe mir bei.
Er wäre gut beraten, sich von Calliope und ihren Abenteuern fernzuhalten, seine Koffer zu packen und aufs Land zu fliehen. Aber zu kneifen oder ein ungelöstes Rätsel links liegen zu lassen, das war noch nie seine Art gewesen. Seine Neugier hielt ihn am Leben, vor allem, seit dieses Leben nach Beendigung seiner Reisen so unsäglich öde geworden war.
Cameron malte sich aus, wie sein Vater ihn jetzt ansehen würde: verwirrt, abgestoßen, als sei dieser Sohn nicht das, worauf er hingearbeitet hatte. Er würde den Kopf schütteln und sagen: „Hoffnungslos. Grieche durch und durch.“ Und so war es. Diese unersättliche Neugier, dieses aufbrausende Temperament, das ihm so oft Ärger einhandelte – und diese Schwäche für braune Augen.
Er lachte traurig unter Athenes strengen Blicken. Er war jetzt ihr Jünger, ein Kämpfer für ihre Sache. Er wollte nichts weniger, als je wieder in die Angelegenheiten des Duke of Averton hineingezogen zu werden. Aber es war deutlich, dass Calliope und ihre Schwestern das Unheil anzogen – wie alle schönen Frauen.
Zugleich freute er sich darauf. Er hatte sich in letzter Zeit schrecklich gelangweilt; sein neues Leben hier in England blieb ihm fremd. Er wollte nicht glauben, dass dies sein Platz war, obwohl er in diese Rolle hineingeboren worden war. Aber im Augenblick langweilte er sich kein bisschen.
Ja. Er würde es nicht bereuen.
11. KAPITEL
Calliope kontrollierte die Tische, die im Salon für den Kartenspielabend vorbereitet worden waren. Alles war in Ordnung: die sauberen weißen Tischdecken, die neuen Spielkarten, der Teetisch mit den Erfrischungen. Durch die angelehnten Türen zum Esszimmer drangen die gedämpften Stimmen der Diener, die dort für das späte Abendessen deckten und mit dem Porzellan und Besteck klimperten.
Als sie sich dabei ertappte, wie sie die Teetassen noch präziser in Reih und Glied ausrichtete und kaum merkliche Falten in den Tischtüchern glatt strich, gestand sie sich ein, dass es hier nichts mehr zu tun gab. Sie sollte hinaufgehen, sich umziehen und sich die Haare frisieren lassen; doch dafür war sie viel zu rastlos.
Sie trat ans Fenster und blickte auf die dämmerige Straße hinunter, die nach dem Abebben des Tagesgeschäfts und vor dem Einsetzen des abendlichen Ausgehverkehrs ruhig und fast menschenleer war. Sie sollte eigentlich ebenso ruhig sein; es gab keinen Grund zur Nervosität. Seit dem Tod ihrer Mutter hatte sie schon oft als Gastgeberin fungiert. Zwar gab ihr Vater nicht mehr so viele Empfänge wie früher, aber sie hatte allemal genug Erfahrung, um einen kleinen Kartenabend zu organisieren.
Vielleicht war es nicht der Empfang, sondern die Gästeliste, die sie nervös machte. Oder ein ganz bestimmter Gast.
Cameron de Vere würde kommen. Und was noch wichtiger war: Er würde ihr helfen, einen Plan zum Schutz der Alabastergöttin zu schmieden. Sie hatte zwar noch keine Ahnung, welche Maßnahmen sie ergreifen würden, aber mit seiner Hilfe würde es schon gelingen. Er mochte den Duke ebenso wenig wie sie, und er wollte ebenso sehr wie sie verhindern, dass Artemis verschwand.
Eine einzelne Kutsche ratterte über das Kopfsteinpflaster: ein Phaeton, allerdings nicht leuchtend gelb. Sofort fiel ihr wieder ein, wie sie von genau diesem Fenster aus auf Camerons Gefährt hinabgeblickt hatte – auf sein Gesicht, das er lachend der Sonne zugewandt hatte, und sein windzerzaustes Haar. Er hatte so frei gewirkt, so gleichgültig gegenüber den Meinungen seiner Mitmenschen. Unbekümmert und selbstbewusst.
Wie sehr sie ihn darum beneidete.
Calliope seufzte und zog die Vorhänge zu. Freiheit hin oder her, sie hatte eine Aufgabe zu erledigen, und die Zeit drängte. Was für ein Unsinn, hier herumzutrödeln und von Camerons schönem Gesicht und Selbstvertrauen zu träumen! Aber sie konnte kaum dagegen an; selbst in den unmöglichsten Situationen musste sie an ihn denken. Vielleicht hatte sie sich ja mit Lottys Romanfieber angesteckt.
Aber womöglich waren diese schrecklichen Romane in einer Situation wie dieser – gestohlene Antiquitäten, verruchte
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