Betörend wie der Duft der Lilien
wäre ihr beinahe entschlüpft. Sie wandte sich ab und betrachtete die Fußgänger auf den Spazierwegen. Inzwischen fuhren sie durch einen weniger stark bevölkerten Teil des Parks, hatten die Masse der Modebewussten und Schaulustigen hinter sich gelassen. Hier ergingen sich eher die ausdauernden Spaziergänger, Kindermädchen mit ihren Schützlingen, Lakaien mit Hunden an der Leine. „Ach, dies und das. Modezeitschriften aus Paris, Fächer und Hutfedern. Wie alle Damen eben.“
Cameron schüttelte den Kopf. „Manche Damen vielleicht, Miss Chase. Aber nicht Sie oder Ihre Schwestern oder ihre kunstverständigen Freundinnen. Mich können Sie nicht täuschen.“
Oh, sie hoffte, dass sie ihn wenigstens über gewisse Aspekte täuschen konnte! Zum Beispiel darüber, wie oft in der Gesellschaft für kunstverständige Damen über ihn geredet wurde, wie viele ihrer Bekannten für ihn schwärmten und ihn den „griechischen Gott“ nannten. Oder warum sie seine Hilfe so dringend benötigte. Warum sie ihn im Auge behalten wollte.
Und vor allem darüber, dass sie allmählich Gefallen an ihm fand.
So. Sie hatte es sich endlich eingestanden. Sie fing an, ihn zu mögen, sich auf ihre Gespräche zu freuen, auf sein Lächeln. Aber das würde sicher rasch vorübergehen. Sie kannte so etwas von ihren Freundinnen, Lotty zum Beispiel, die jede Woche einen anderen Gentleman anhimmelte.
Es war wie in einem von Lottys geliebten Romanen, allerdings eher eine Farce als eine Gruselgeschichte. Die Torheit der Calliope. Aber immerhin war es eine Torheit mit höherem Ziel.
„Na gut. Manchmal reden wir wirklich über Hüte oder Verehrer. Meistens aber über Kunst und Geschichte – oder über Bücher.“ Sie musste ja nicht unbedingt erwähnen, dass einige dieser Bücher Titel wie Lady Rosamunds tragische Leidenschaft trugen.
„Ahnte ich’s doch, dass Sie sich überwiegend um die Belange der Kunst kümmern!“
„Und genau dabei brauche ich Ihre Hilfe, Lord Westwood … Cameron.“
Mit hochgezogenen Brauen sah er sie an. „Meine Hilfe? O Gott, ich falle gleich in Ohnmacht!“
Calliope versetzte ihm einen Klaps auf den Arm. „Keine Scherze, bitte. Es ist mir ernst.“
„Mir auch. Wer hätte gedacht, dass Sie mich je um Unterstützung bitten würden? Da kann einem schon ein wenig schwindeln.“
Sie klappte ihren Sonnenschirm zu – nur für den Fall, dass sie ihm einen kräftigeren Hieb verpassen musste. „Möchten Sie mir nun zuhören oder nicht?“
„Bitte.“
„Nun denn. Wir sind uns wohl einig, dass der Duke ein widerwärtiger Kerl ist?“
Sein Lächeln erstarrte, und er presste die Lippen aufeinander. „Natürlich.“
„Sie kennen ihn viel besser als ich; sie haben ja zusammen studiert. Ich kann ihn nur anhand seines Verhaltens gegenüber meiner Schwester und seiner grenzenlosen Habgier als Sammler beurteilen. Und die ist schlimm genug.“
„Glauben Sie mir, meine Liebe, Sie möchten gar nicht wissen, wie er sich abseits der guten Gesellschaft benimmt“, sagte er düster.
Meine Liebe? Calliope versuchte seine Miene zu deuten, die im Schatten seiner Hutkrempe lag, aber seine Züge waren glatt wie die einer Hermesstatue. Nur das dunkle Glitzern in seinen Augen verriet, wie tief sein Hass war.
„Nicht, wenn es sich vermeiden lässt. Aber wenn es nötig sein sollte …“
„Nötig wofür?“
„Um meine Schwester zu schützen. Und die Alabastergöttin.“
„Die Alabastergöttin?“
„Aber sicher. Ich kann mich nicht aller Objekte in diesem schrecklichen Haus annehmen. Die Löwin, der Sarkophag, Daphne … Nur Artemis ist meines Erachtens unmittelbarer gefährdet. Der Duke will sie fortschaffen, und jemand könnte sie stehlen.“
„Schon wieder der Liliendieb?“
„Vielleicht. Aber er ist nicht der einzige Kriminelle in dieser Stadt.“
„Sie glauben, irgendein Taschendieb aus Whitechapel wird in Acropolis House einsteigen und eine griechische Statue stehlen? Und vielleicht noch ein paar Katzenmumien mitgehen lassen, wo er schon dabei ist?“
Calliope seufzte. „Man kann es natürlich ins Lächerliche ziehen. Aber es gibt genug fähige Verbrecher. Sie ist die ideale Beute: nicht zu groß, gut erhalten …“
„Zu berühmt, um sie auf dem Markt zu Geld zu machen.“
„Einen Sammler, der sie ganz für sich behalten will, wird das nicht schrecken.“
„Einen Sammler wie den Duke?“
„Genau.“
Nach der nächsten Kehre wurde der Weg wieder belebter. Sie mussten langsamer fahren, um nicht mit
Weitere Kostenlose Bücher