Betoerendes Trugbild
umdrehte und das Blütenmeer betrachtete.
An jedem der insgesamt 14 Sträuße hing ein kleines Kuvert. Sie öffnete das erstbeste und erwartete eine wortreiche Entschuldigung von Scott Winters. Doch stattdessen prangte nur ein kapitales „T“ auf dem Zettel. Neugierig sammelte Sam auch die anderen Karten ein. Sie musste ein wenig puzzeln, doch dann lag die Botschaft ausgebreitet vor ihr auf dem weißen Bettlaken.
„I C H B I N E I N I D I O T“
Damit konnte er Recht haben, aber wenigstens hatte er sich Mühe gegeben. Trotzdem sollte er noch ein wenig schmoren. Sie trat wieder auf den Balkon und machte ein Foto von der überwältigenden Aussicht. Dann tippte sie die Symbole für einen zwinkernden Smiley ein und schickte das Foto an Becky.
Die Antwort kam postwendend. „Du bist sooo gemein! Hier ist richtiges Scheißwetter.“ Dazu hatte sie ein Bild vom grauen Himmel angehängt. Sam nahm sich vor, in ein paar Jahren, wenn die Brüder Winters sich wieder beruhigt und sie vergessen hatten, mit Becky in die Schweiz zu reisen.
Sie wartete noch zwei weitere Stunden, bevor sie ihr Handy wieder nahm und eine SMS an Scott schrieb. „In Ordnung. Zeit und Adresse?“
„Freitag um 8 Uhr? Woher haben Sie meine Nummer?“
Samantha grinste breit. Er war viel zu einfach aus der Reserve zu locken. „Nicht nur Sie können Informationen beschaffen, Herr Winters.“
Sie war noch nicht mit beiden Beinen aus dem Taxi gestiegen, da eilte Scott schon aus der Haustür und bezahlte den Fahrer. Samantha protestierte anstandshalber, doch der Fahrer war mit seinem Trinkgeld zu glücklich, um sich darum zu kümmern.
Scott bedeutete ihr vorzugehen, umfasste vorsichtig ihren Ellenbogen und dirigierte sie durch lange Flure. Sams Absätze klapperten auf dem Boden und sie prägte sich so viele Details wie möglich ein. Simpel geplant war dieses Haus auf jeden Fall nicht. Obwohl sie bereits einen Blick auf den Grundriss geworfen hatte, schien es viel mehr Flure und Etagen zu geben. Zu gern hätte sie danach gefragt. Scott, ich plane, Sie zu beklauen, aber der Grundriss Ihres Hauses auf Papier sieht ganz anders aus. Wie kommt das?
Sie schüttelte den Kopf.
„Ist irgendetwas?“, erkundigte Scott sich besorgt.
„Nein, ich bewundere nur gerade alles.“ Sie deutete auf ein farbenfrohes Gemälde. „So viele wunderbare Details.“
„Ich kann Sie später gern ein wenig herumführen.“
„Sehr gern.“ Am besten direkt zu dem Objekt ihrer Begierde.
Sie hielten vor deckenhohen Glastüren, die den Blick auf den atemberaubenden Garten samt Pool und Aussicht auf das Tal freigaben. Beeindruckt schwieg Sam und ließ es auf sich wirken.
Scott hielt ihr die Tür auf. Ein einzelner Tisch stand auf der großzügigen Terrasse, ein Sonnenschirm direkt daneben, doch noch war es nicht so heiß, dass sie ihn benötigt hätten. Ein reichhaltiges Frühstück stand bereit: Obst, Fleisch, Fisch, Käse, Aufschnitt, Brot und Brötchen – sogar einen kleinen Topf mit Suppe konnte Samantha sehen.
Als sie Platz genommen hatte, sagte er: „Ich war so frei, mich persönlich um die Zubereitung des Kaffees zu kümmern. In nur einer Minute bin ich wieder da.“
Er verschwand und Samantha saugte erneut den Ausblick in sich auf. Sie hatte eine Leidenschaft für Seen und auch ihren zukünftigen Wohnort danach ausgesucht. Als „Alterswohnsitz“ bezeichnete sie ihn immer, was ihr schon diverse Rügen seitens Becky eingebracht hatte, schließlich war Sam erst 33.
Schritte kündigten Scotts Rückkehr an. Er stellte einen riesigen Kaffeebecher vor ihr auf den Tisch. Darauf prangte ein Bild von ihm selbst, wie er seine Unterlippe traurig vorschob, unter dem Bild war der Schriftzug „Idiot“ zu lesen. Samantha prustete los und Scott nahm zufrieden Platz.
„Sie verzeihen mir also, Miss Vickers?“
„Sagen Sie Samantha. Ich denke schon – aber nur unter Vorbehalt.“
Das schien ihm zu reichen und sie begannen mit dem Frühstück. Samantha war erstaunt; Scott schien eine komplette Kehrtwendung hingelegt zu haben. Auf einmal war er tatsächlich höflich, zuvorkommend und ein überaus charmanter Unterhalter.
Zu jedem Thema schien er eine Meinung zu haben, die nun alles andere als arrogant wirkte und er konnte zuhören. Samantha entspannte sich zum ersten Mal seit Tagen ein wenig. Wenn er sich weiterhin so verhielt, würde der Job ein Spaziergang werden.
Sie wusste sowieso nicht genau, warum sie so besessen von ihrem Objekt der
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