Betongold
Paul vorstellte. Sven Martin sah aus, wie der geborene Schwiegersohn. Er war gepflegt, trug eine braune Cordhose, dazu unter dem weiÃen Hemd mit offenem Kragen einen bernsteinfarbenen Kaschmirpullover; die braunen Schuhe waren etwas derb, aber der Jahreszeit entsprechend. Sein Gesicht war ernst, aber die kleinen Lachfalten hinter der Ganzglasbrille zeugten von einem durchaus zufriedenen und aufrichtigen Charakter. Konnte dieser Mann jemanden umbringen? Viermal auf sein Opfer einstechen? Für Juliane war das schwer vorstellbar; andererseits hatte sie im Laufe ihres Berufslebens zahlreiche Fälle erlebt, bei denen das völlig Undenkbare eingetreten war. Ein Mörder zu sein, hieà nicht mit einem ausgemergelten Narbengesicht und einer Magnum in einer Spelunke bei einer Flasche Whiskey zu sitzen und den nächstbesten Gast über den Haufen zu schieÃen. Und Mörder liefen ja auch nicht mit einem Schild herum, auf dem stand. » Bitte verhaftet mich, ich binâs gewesen.« Aber Patrick ein Mörder? Vielleicht war er es auch gar nicht, oder ein Zwillingsbruder, wollte sie sich einreden; aber ihre innere Stimme der Vernunft meldete sich und erinnerte sie daran bei den bestehenden Zusammenhängen nicht in Hirngespinste zu verfallen.
Sven Martin musste gespürt haben, dass sie ihn etwas zu lange angeschaut hatte und sagte unvermittelt, als Kunkel seine Kollegin vorstellte: »Kennen wir uns? Haben wir uns schon irgendwo einmal gesehen? Sie kommen mir bekannt vor?«
»Sie kennen mich nicht, aber ich kenne Sie, seit siebzehn Jahren, Patrick«, wollte Juliane eigentlich sagen, aber das wäre unprofessionell und stümperhaft gewesen und auÃerdem hatte sie mit Paul eine andere Taktik besprochen. Sie sollte die gute Polizistin, Paul der böse Bulle sei. Sie machte eine kleine Pause; Kunkel schaute sie fragend an.
»Möglich; sind Sie öfters in Frankfurt unterwegs? Am letzten Dienstag war ich in der Stadt; vielleicht haben wir uns dort gesehen.«
»Nein, am letzten Dienstag war ich im Urlaub.«
»Wo waren Sie denn in Urlaub?«, fragte Kunkel.
»Soll das jetzt ein Verhör werden? Ich dachte, ich bin in einer Zeugenangelegenheit hierher gekommen.« Sven Martins Gesicht wurde ernst.
Kunkel, der sich bisher in seinem Stuhl zurückgelehnt hatte, setzte sich jetzt aufrecht und schaute Martin direkt an.
»Herr Martin, Sie haben doch sicher von dem Mord an Herrn Weishaupt gehört?«
»Ja, das habe ich«, sagte er ruhig. »Mein Büro hat angerufen und mich informiert. Eine schreckliche Sache. Wer macht so etwas?«
»Genau um das herauszufinden, sitzen wir hier«, antwortete Kunkel und schaute ihm scharf in seine braunen Augen. »Denn wir haben Ihre Fingerabdrücke in dem Haus des Mordopfers gefunden. Und deshalb möchten wir auch gerne wissen, wo Sie am Dienstag in Urlaub waren. Alles reine Routine.«
Juliane wollte etwas Ergänzendes sagen wie: »Wir müssen schlieÃlich allen Spuren nachgehen«, doch ihr Kollege machte nur eine abwehrende Handbewegung. Jetzt hatte er ihn bald soweit. Sven Martin rieb sich nervös die Hände und seine Augen wanderten nach oben. Jetzt beginnt das Lügengebäude zu wackeln, dachte Kunkel und machte eine längere Pause.
»Wie gesagt ich war seit letzten Montag im Urlaub, ich war in der Eifel und habe Freunde besucht.«
»Wo genau in der Eifel und welche Freunde?«, fragte Kunkel.
»Ich habe mich mit ein paar Bekannten auf dem Nürburgring getroffen; dort sind wir ein paar Rennen auf der Nordschleife gefahren. Und dann haben wir noch Zigaretten an der luxemburgischen Grenze gekauft. Darf man hier rauchen?«
»Nein, also wie hieÃen die Freunde? Wir brauchen Namen, Adresse, Telefonnummer? Waren Sie alleine, oder hat Sie eine Freundin begleitet? Wo haben Sie übernachtet? Hotel oder Pension?«
»Mein Gott, gehtâs noch? Ich kenne die Leute nicht so gut. Meistens nur ihre Vornamen. Das ist ein Autoclub und die Treffen werden übers Internet vereinbart. Ich bin Mitglied dort und geschlafen haben wir in einem Wohnwagen«, antwortete Sven Martin, verschränkte die Arme und schaute Kunkel an wie ein trotziges Kind. »Und eine Freundin nimmt man auf solche Fahrten am besten nicht mit, das bringt nichts. Gibt nur Ãrger. Kann ich jetzt eine Zigarette rauchen? Bitte, ich rieche doch, dass hier geraucht wurde.«
»So, ich rieche nichts«,
Weitere Kostenlose Bücher