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Betongold

Betongold

Titel: Betongold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Westerhoff
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mühsam aufgerappelt, hatte irgendetwas in der Richtung »bullshit« gefaselt und sich wieder auf den Hocker gesetzt. Er hatte damit gerechnet, dass sie dann wutentbrannt mit einem Taxi alleine nach Hause gefahren war. Er hatte gewonnen, sein Ziel erreicht. Das hatte er dann auch ausgiebig in der gleichen Bar gefeiert, zunächst alleine, dann mit dem Engländer, der eigentlich kein Engländer, sondern Amerikaner war und die ganze Situation nach dem vierten Whiskey sportlich gesehen hatte.
    Jetzt musste er sich beeilen, wenn er noch seine neueste Errungenschaft testen wollte. Heimlich hatte er die vier Minikameras in ihrer Wohnung installiert, um sie jederzeit kontrollieren zu können. Festzustellen, ob sie ihn betrog. In flagranti erwischen.
    Er startete die Videosoftware. Das Internet war einfach genial. Es war kinderleicht, jemanden zu beobachten, ohne in der Nähe zu sein. Nicht so schwierig, wie in dem Film »Das Leben der Anderen«, der ihn so fasziniert hatte. Heute genügten einige Minikameras und ein Server, der aussah wie ein stinknormaler Computer und man konnte mit seinem Laptop oder i-Phone am anderen Ende der Welt sitzen und in Echtzeit am Leben der anderen teilhaben. Big Brother is watching you.
    Alle Kameras liefen. Das Bett war leer und neu bezogen. Rote Bettwäsche? Warum hatte sie die Bettwäsche gewechselt? Im Bad war sie nicht. Auch die Küchen- und Flurkamera zeigten sie nicht. Bestimmt im Arbeitszimmer, dachte er, da hatte er keine Möglichkeit gehabt, eine Kamera zu installieren. Noch nicht. Aber was machte sie im Arbeitszimmer? Jetzt kam sie raus. Sie war nackt. Mist, die Leitung war nicht schnell genug und es dauerte Minuten, bis das nächste Bild zu sehen war. Was machte sie nackt im Arbeitszimmer? Jetzt ging sie ins Bad unter die Dusche. Fasziniert starrte er auf den Bildschirm, der ihm jedoch nur stückweise Befriedigung lieferte. Die Bilder erschienen abgehackt, wahrscheinlich war die Leitung zu langsam. Er musste unbedingt einen stärkeren Rechner kaufen; und diese neue Internetleitung aus Glasfaserkabel. Das hatten sie vor Kurzem in der Straße angeboten. Sein Handy klingelte. Erschrocken schaute er auf den Bildschirm, ob sie den Klingelton auch gehört hatte. »Mein Gott, langsam werd ich wahnsinnig.« Es war die Büronummer; eine Durchwahl, die er nicht kannte. Er drückte sie weg.
    Es wurde Zeit, auch er musste sich auf den Weg machen. Unter der Dusche erschienen die Bilder der Badezimmerkamera vor seinem inneren Auge. Er zog sich an – seinen Reisekoffer hatte er am Tag vorher schon gepackt – verriegelte die Wohnungstür, in die er erst letzte Woche ein neues Sicherheitsschloss hatte installieren lassen, und fuhr die zwei Stockwerke mit dem verspiegelten Aufzug nach unten. In der Tiefgarage schaltete sich durch den Bewegungssensor das Licht an.
    Er ließ den Motor an, steckte sich eine Zigarette in den Mundwinkel, öffnete per Fernbedienung das Tor der Tiefgarage und der Achtzylinder bollerte auf die Straße in den Berliner Morgen. Er fuhr nicht zu schnell, die Straße war frei und er erreichte nach 15 Minuten die Avus in Richtung Hannover. 7.00 Uhr. Für die Fahrt von Berlin – Spandau zu seinem Ziel gab ihm das Navigationssystem eine Fahrzeit von fünf Stunden und 15 Minuten als schnellste Strecke ohne Verkehr an.
    Er fuhr ruhig und gelassen, denn seinen Plan hatte er genau durchdacht und bis ins kleinste Detail geplant. Er musste nicht anhalten, um zu tanken. Im Kofferraum hatte er zwei Reservekanister; mit der Tankfüllung und dem Benzin in den Kanistern würde er es genau bis zum Ziel schaffen, vorausgesetzt er ließ sich nicht zu Überholmanövern provozieren, aber das war um die Uhrzeit recht unwahrscheinlich. Und die Einzigen, die ihm gefährlich werden konnten, Porsche 911 Turbo und Konsorten, schliefen bestimmt noch ihren Rausch vom gestrigen Abend an der Seite einer blonden oder brünetten Schönheit aus. Porsche; lachhaft; der verlängerte Arm des Schwanzes, dachte er und lehnte sich entspannt zurück.
    Nach zwei Stunden machte er an einem versteckt liegenden Parkplatz eine Pinkelpause. Nur ein LKW-Fahrer machte sich und seinen Truck zur Weiterfahrt bereit. »Kapitäne der Landstraße«, feixte er, »Genau, aber so sehen sie nicht aus, wenn sie in ihren ausgefledderten Hosen und Halbschuhen in den Büschen stehen und ihre Notdurft

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