Betreutes Trinken
Freude ist es, Erwachsene zu ärgern. Und jetzt wird es kniffelig. Du bist die Erwachsene, zumindest bis heute, zwanzig Uhr.«
»Du aber auch, oder?«, piepst Kira, und ich weiß, ich muss einen anderen Ansatz finden.
»Klar, ich auch, aber das Wichtigste ist: Du darfst jetzt nicht heulen. Oder meckern. Oder versuchen, sie zu irgendetwas zu animieren, sie werden garantiert das Gegenteil tun. Du willst Beweise? Ein Beispiel? Gerne. Jede Einzelne von denen kotzt sich bei dir oder mir oder Jenny über Jungs aus, richtig? Jetzt aber hätten sie gerne Jungs da, weil wir sie ausgesperrt haben, verstehst du?«
Kira schüttelt den Kopf.
»Also, noch mal: Die werden sich hier nicht auf Knopfdruck über die Unterdrückung durch das Patriarchat auslassen, schon wie …«
Ich würde am liebsten sagen: »… du diese unentspannte Kulisse aus verquastem Post-Feminismus aufgebaut hast«, aber kriege noch die Kurve: »… weil sie uns jetzt hassen. Sie hassen uns, weil wir da sind, und die Jungs nicht. Es sind Teenager.«
Kira starrt mich stumm an. Nach meiner Einschätzung konnte sie meinen Ausführungen nicht bis zum Ende folgen. Der Hamster, der ihren Denkapparat am Laufen hält, ist irgendwo auf halber Strecke aus dem Laufrad gesprungen und beleidigt in sein Häuschen abgezogen.
»Die hassen uns doch nicht, Doki. Mit ganz vielen von denen habe ich schon ganz oft, ganz toll geredet, es ist nur …«
»… du hast sie zum Rudel zusammengetrieben. Sie sind in der Überzahl. Sie hassen dich«, bestehe ich knallhart auf meinem Standpunkt.
»Aber, aber …«, Kiras innerer Hamster rafft sich noch mal auf und schlägt eine völlig neue, ungeahnte Richtung ein. Er schmeißt das Rad um. »Aber Doris, rein statistisch müsste doch mindestens eins von den Mädels lesbisch sein. Oder werden. Die muss den Mädchentag doch gut finden. Die eine wenigstens.«
Kira späht wieder über die Theke, hoffend, dass sich gleich jemand vor lauter Langeweile outen wird.
»Kira, die homosexuellen Jugendlichen gehen ins ›Bi-You‹. Es ist eine große Stadt. Wir haben ein Extra-Jugendzentrum für schwule, lesbische, bi-sexuelle und solche, die es, um dich zu zitieren, werden wollen.«
Kiras Hamster entscheidet sich dafür, mal wieder auf dem uralten Maiskorn herumzulutschen, das er seit Monaten in der Backe lagert. »Na, aber das ist doch auch irgendwie diskriminierend, oder?«
Ich hätte einfach meinen Plan durchziehen sollen. Der bestand darin, dass ich Kira zur Erwachsenen erkläre, ihr noch einmal aufmunternd in die Wange kneife und verschwinde, mit in die Luft gerecktem Daumen, der ihr zeigen sollte: »Du schaffst das, Baby.«
Bei Mel Gibson klappt das immer. Zumindest in seinen Komödien. Das hier scheint sich eher zur Passion Christi zu entwickeln, wenn mir nicht schnellstens jemand aus der Patsche hilft.
» DOKI ! Haaalloo! Doki?«, schreit eine Stimme, unterstützt von einem wilden Hämmern gegen die Frontscheibe der Kommbüse . Es ist Ludi. Er wirkt verwirrt, erschrocken, völlig aus dem Häuschen. Nun ja, er schaut amüsiert durch den Vorhangschlitz, und alle Mädchen winken ihm verzückt zu.
»Ludi scheint meine Hilfe zu brauchen, ich muss da mal raus«, verkünde ich Kira, die dem jungen Mann ebenfalls zuwinkt, allerdings eher so, als würde sie ihn verscheuchen wollen.
»Doris, es ist doch Mädchentag …«, appelliert Kira an mein Pflichtbewusstsein, aber jetzt bringe ich mein Totschlagargument: »Mädchen probe tag, das ist etwas völlig anderes. Bis gleich!«
Ich laufe zum Hinterausgang, wobei ich mir durchaus bewusst bin, dass mir die sehnsüchtigen Blicke der Mädchen folgen. Es wird vielleicht noch zwei, drei Minuten dauern, bis einer von ihnen auffällt, dass dies ein freies Land ist und sie einfach abhauen können.
Das wäre mir nur recht, dann könnte ich völlig ohne schlechtes Gewissen früher gehen und Kiras Projekt würde offiziell als gescheitert gelten. Als ich die Hintertür erreiche, höre ich, wie die Schöpferin des Mädchenprobetages zum letzten Strohhalm greift. »Wer will denn noch Holunderbrause? Ich gebe eine aus!«
»Klassisches Ausnutzen durch Kopplung von Abhängigkeiten, Respekt Kira«, denke ich mir und stürme zur Tür hinaus. Dort pralle ich direkt mit dem Brustkorb gegen etwas Hartes, einen Basketball oder Ludis Kopf.
»Autsch, wieso hast du nicht vorne gewartet?«, röchle ich, und Ludi hält sich beide Hände vors Gesicht: »Warum hast du keine großen, weichen Brüste, dann wäre meine
Weitere Kostenlose Bücher