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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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Nase jetzt nicht gebrochen!«
    »Wenn deine Nase gebrochen wäre, wärst du gar nicht in der Lage, sexistische Bemerkungen zu machen«, stelle ich fest. Ludi nimmt seine Hände vom Gesicht und zeigt mir ein Grinsen, das genau so schief wie seine Brille ist: »Sexistisch, ja? Mädchenprobetag, das ist sexistisch, Doki.«
    Darüber diskutiere ich nicht mehr, mit niemandem. Stattdessen werfe ich Ludi eine Packung Zigaretten zu: »Danke, dass du gekommen bist. Ich habe mir schon Sorgen gemacht, dass du es vergisst.«
    Ludi mustert die Packung, als wäre ich in der Lage, eine Schachtel Kippen zu leeren, sie mit Dreck zu füllen und dann wieder in Folie einzuschweißen. Okay, ich hatte darüber nachgedacht, aus pädagogischen Gründen. Ludi öffnet die Schachtel und bietet mir eine an.
    Wie tief kann man sinken? Ich fische eine Zigarette heraus.
    »Doris, Doris, Doris, wenn das jemand rauskriegt«, flötet mein Schützling kopfschüttelnd, »abgesehen vom rechtlichen Standpunkt bin ich vor allem moralisch enttäuscht von dir. Da bittest du doch tatsächlich einen Schutzbefohlenen, hier aufzukreuzen, einen Notfall vorzutäuschen, um dich von der Arbeit wegzuholen, im Tausch gegen gefährliche Drogen! Und das auch noch am Muschitag …«
    »Muschi probe …«, hebe ich an und beiße mir zu spät auf die Zunge. Ludi gackert, und meine einzige Angst ist, dass Kira das hören könnte. Ich bin ein durch und durch schlechter Mensch. Und Ludi genießt das: »Warum hast du dich nicht etwas raffinierter aus der Affäre gezogen? Ihr habt doch bestimmt so ein Labertreffen dazu gehabt, zu dem Blödsinn hier. Da hätte ich an deiner Stelle doch einen reinen ›Jungstag‹ vorgeschlagen, am besten am Samstag, und schon wäre das Ganze den Bach runtergegangen.«
    Stimmt. Ein nikotinabhängiger, winziger Teenager mit kaputter Brille führt mich vor, und was tue ich? Schmollen: »Ach, Ludi, hätte ich einen Jungentag vorgeschlagen, hätte es geheißen: ›Unterdrückte Jungen sollen ins ‚Bi-You’ gehen‹.«
    Ludi nickt: »Ja, die haben den Schwuchteltag, stimmt.«
    »Ich glaube nicht, dass die das Schwuchteltag nennen«, merke ich an, aber Ludi verdreht die Augen: »Ne, glaube ich auch nicht, dass das Schwuchtelzentrum den Schwuchteltag Schwuchteltag nennt, Doki, aber der Punkt ist doch …«
    Ich muss kichern: »Wer dreimal Schwuchtel in einem Satz sagt, ist selber eine!«
    Ludi wirft mir die Zigarettenschachtel an den Kopf: »Du bist echt doof, Doki! Und so etwas ist Sozialarbeiterin.«
    Wir beide schweigen betreten, für drei Sekunden. Zum Glück, denn so können wir hören, wie sich das Fenster im oberen Stock öffnet. Ich kann Ludi an die Hauswand pressen, bevor Margret ihren Kopf aus dem Fenster streckt: »Doris, bist du das? Was ist denn los da unten?«
    Sie kann Ludi und mich nicht sehen, wir stehen im toten Winkel. Allerdings piekst mir Ludi mit spitzem Zeigefinger in die Seite, der kleine Drecksack.
    »Äh, nichts, Margret, alles in Ordnung, ich war nur kurz draußen um …« Ludi piekst jetzt in die andere Seite, ich haue blind auf seine Finger. »Au!«
    Margrets Stimme wird noch eine Spur tiefer: »Doris, versuche doch, innerhalb deiner Arbeitszeit nicht so viel zu rauchen, wirklich.«
    Ich will mich verteidigen, Ludi springt ein: »Hallo Margret, ich bin’s, Ludolf, ich habe einen Notfall, ich meine … ich fliege von der Schule vielleicht.«
    »Drunter ging es auch nicht, oder?«, zische ich Ludi zu, der das alles hochkomisch zu finden scheint.
    Wir hören Margrets Schnaufen, bevor sie spricht: »Was hast du denn angestellt, Ludolf?«
    Ich schließe die Augen. Ludi ist durchaus in der Lage, jeden für einen schlechten Witz zu verraten. Er wird gleich erzählen, dass er einen Wanderzirkus in die Aula eingeschleust habe und der gesamte Lehrkörper bei der Tigerdressurnummer aufgefressen wurde. Aber er sagt: »Äh, Margret, das würde ich ganz gerne mit Doris allein besprechen, wenn es ginge. Ist eher persönlich.«
    Margret seufzt erneut: »Okay, ich denke, Kira kann die Massen unten auch alleine bändigen. Geht doch einen Kaffee trinken oder so.«
    Das Fenster schließt sich wieder. In wenigen Sekunden, wenn Ludi und ich den befohlenen Kaffee oder so trinken gehen, wird sie das Fenster erneut öffnen, um endlich ihre Zigarette zu rauchen.
    »Danke, Ludi«, flüstere ich, und er zuckt mit den Schultern: »Immer doch. Jetzt schuldest du mir aber noch eine Schachtel Kippen.«
    Aber ich habe nicht vor, mich noch länger

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