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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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gerührt, dass jemand daran gedacht hat, mir ein Set Schneidebrettchen bereitzulegen. Gleichzeitig bin ich erschüttert darüber, wie sehr die Emanzipation an mir versagt hat. Bei mir braucht es nicht einmal einen nagelneue Einbauküche oder die Aussicht, Batzen zu sparen, um mich spontan für die Hausfrauenrolle zu begeistern. Ich bin schon mit einem glänzenden Abtropfsieb zu kriegen. Wer weiß, was ich einem Wildfremden im Tausch gegen einen Stabmixer anbieten würde?
    Aber als ich die Zwiebeln geschält, gewürfelt und in einem Stich Butter auf mittlerer Flamme angeschwitzt habe, wird mir klar: Ich bin immer noch süchtig. All die Jahre war ich nur eine trockene Köchin. Jetzt bin ich wieder angefixt.
    Schon vor dem Zubereiten der Mehlschwitze bin ich im Vollrausch. Mein Zeitgefühl verabschiedet sich zwischen dem Karamellisieren von schräg geschnittenen Karottenscheiben. Als ich die erste von drei Saucen mit einem Schluck Weißwein ablösche, habe ich mein Zeitgefühl komplett verloren.
    Erst eine gehörige Weile später meine ich, Musik zu vernehmen, gerade als ich die Lasagne in den Ofen schiebe. Und als ich die Vinaigrette mit einem Spritzer frischer Limette verfeinern will, werde ich aus meiner Trance wachgerüttelt:
    »Doki? Was um Gottes Willen machst du hier?«
    Der Raum ist in Dunstschwaden gehüllt, aber die Stimme klingt vertraut – sie gehört zu Marie.
    »Lasagne«, antworte ich wahrheitsgemäß, »aber selbstverständlich ist das nur der Hauptgang. Vorher gibt es einen frischen Salat der Saison mit einer Reduktion aus Himbeeren und angebratenen braunen Champignons, dazu …«
    Ich höre nur, wie zu meiner Rechten das Fenster geöffnet wird, der Rauch verflüchtigt sich langsam, eine augenscheinlich völlig verstörte Marie nimmt dafür Konturen an. Sie schüttelt mich an den Schultern: »Doki, bist du wahnsinnig geworden?«
    »Wieso?«
    Marie schnauft: »Es riecht soooo gut! Viel zu gut. Alle kriegen Hunger. Und die Band nervt mich seit einer halben Stunde, wann es endlich Essen gibt. Und langsam wird es auch Zeit, es ist halb neun!«
    Halb neun schon, wundere ich mich, das ist ja zwanzig Minuten nach … »Blätterteigtaschen!«, schreie ich und öffne den Kühlschrank. Die Blätterteigtaschen hätten vor zwanzig Minuten im Ofen sein müssen, sonst sind sie viel zu heiß beim Servieren. Sie würden den Gaumen verbrennen und so die Geschmacksknospen für den Hauptgang verbrutzeln, eine schreckliche Vorstellung.
    »Aua«, rufe ich, denn Marie hat die Kühlschranktür wieder zugeknallt, als meine Finger noch dazwischen waren. »Nix Blätterteigtaschen«, befiehlt sie harsch, »auf die Teller mit dem Zeug, oder die Raubtiere da draußen fressen uns.«
    Klingt vernünftig. Blätterteigtaschen halten sich im Kühlschrank bestimmt einen Tag. Man kann sie auch zum Frühstück servieren, als herzhaften Kontrast zu frischem Obstsalat. Aber eins nach dem anderen.
    »Okay, wo sind die Teller, Marie?«
    Marie haut sich die Hand vor die Stirn: »Scheiße, Mist, ich wusste, irgendetwas habe ich vergessen einzukaufen!«
    »Gibt es Besteck? Außer Raffis Buttermesser?«
    Marie dreht sich auf dem Absatz um und geht wortlos aus der Küche, an die Bar.
    »Ihr esst auch aus einem Trog, oder?«, höre ich sie rufen.
    Dem allgemeinen Grölen entnehme ich, dass ich jetzt das Essen an der Bar servieren kann.

XIV
    E in lang gehegter Traum hat sich endlich erfüllt.
    Zehn Männer liegen mir zu Füßen, ein weiteres Dutzend begehrt lautstark Einlass zu dem Gebäude, in dem ich Hof halte.
    Würde ich nicht von einem elend schlechten Gewissen geplagt, könnte ich mein Debüt als Vamp mehr genießen, aber leider haben sich auch in diesem Bild wieder ein paar kleine Schönheitsfehler eingeschlichen. Zum einen liegen die Männer auf dem Kneipenboden, weil sie zu vollgefressen sind, um aufzustehen. Zum anderen befindet sich der Elfte ihres Bundes in der Notaufnahme. Beim gierigen Schlingen hat er aus Versehen seine Pommesgabel mitgegessen. Oder zumindest Teile davon, vielleicht. Er wollte das unbedingt checken lassen und war davon überzeugt, dass man die Plastikzinken auf einem Röntgenbild seiner Innereien erkennen könnte. Bleibt zu hoffen, dass die Band bald Karriere macht und Medizin nur ein Hobby des Sängers bleibt.
    »Sie werden ihm höchstens den Magen auspumpen«, seufzt Marie, »schade, das es ausgerechnet den Sänger getroffen hat. Ich meine, sonst könnten wir mit dem Konzert anfangen – oder zumindest die Leute

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