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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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Alter.«
    Die Generalprobe verläuft erschreckend gut bis hierhin. Bei dieser gehobenen Stimmung fällt gar nicht weiter auf, das Raffi nicht dabei ist. Hoffentlich kriegen wir das noch einmal so fantastisch hin, wenn er gleich zur Tür reinkommt.
    Marie drückt Olaf ein Küchenhandtuch in die Hand, aber der lässt den löchrigen Lappen angeekelt wieder fallen: »Leute, ihr werdet noch über meine Worte nachdenken, das schwöre ich euch. Das hat man davon, wenn man helfen will. Ach ja, und ich hätte gerne einen Weißwein, trocken. Mit Glas.«
    »Kommt sofort, macht drei zwanzig«, zwitschert Linda und präsentiert uns ihr erstes Trinkgeldlächeln. Es sieht aus, als hätte sie mindestens drei Zahnreihen, und Olaf weicht erschrocken von der Bar zurück. Dentophob, schätze ich.
    Toddy presst den Korken nonchalant in die Weinflasche und erkundigt sich bei Holger: »Sag mal, wo steckt überhaupt Albert?«
    »Oh, ist genervt von den schlechten Drehbüchern, die ihm angeboten werden. Jetzt will er selbst schreiben. Ein Buch über einen Narkoleptiker im Todestrakt, der seine ganze Strafe verschläft. Soll was Politisches werden glaube ich, aber gleichzeitig tauglich zum Musical – könnte der Durchbruch werden.«
    So sind sie, die Finanzbeamten, im Herzen wahre Träumer. Toddy misst die Temperatur des Weines mit zwei Fingern im Glas und dekoriert sein Werk zusätzlich mit Korkbröseln.
    »Geht hier eigentlich irgendwer hin, der auch nur halbwegs normal ist?«, erkundigt sich Gunnar leise. Ich muss ihm gestehen: »Nein, die wurden bei der Einweihungsfeier aussortiert.«
    »Sehr gut, genau mein Laden. Toll, dass ich jetzt hier arbeite. Ein Super-Ferienjob. Ich hatte dir gesagt, dass ich jetzt Sommerpause bei den Finnen habe, oder?«
    Hatte er nicht. Muss ich ihm aber auch nicht direkt aufs Brot schmieren.
    »Weißt du schon, wo du wohnen wirst?«
    »Kein Problem, ich schlafe mit der Köchin.«
    »Da reden wir später drüber, Bürschchen«, drohe ich.
    Aber in meinem Kopf ist Heiligabend. Kurz vor der Bescherung, und dieses eine Mal weiß ich genau, dass ich das bekommen werde, was ich mir wünsche. Noch viel besser: In diesem Jahr habe ich nicht in letzter Minute einen Stapel nutzloser Gutscheine gebastelt, sondern kann endlich all das geben, was meine Freunde sich immer von mir wünschten.
    Liebe.
    In Form von Putzschichten und Obdach. Bleiben wir bei Liebe. Ich sehe mich um und schaue in vor Aufregung glänzende Gesichter, auf scharrende Füße, Vladimir fächert sich mit unserem Masterplan Luft zu, Katja und Linda stehen beide hinter der Theke bereit, und Olaf hat sich bei Toddy revanchiert, indem er den Weinkorken in dessen Whisky-Glas geworfen hat. Die nervöse Marie wird von Holger gestützt, seine Brille liegt auf der Theke.
    Allein, das Christkind will nicht kommen.
    Nach über zweitausend Jahren hat es sich endlich von den Vorteilen der modernen Telekommunikation überzeugen können. Das Glöckchen klingelt, und Marie greift nach ihrem Handy.
    Sagt lange nichts. Dann endlich: »Okay. Machen wir. Sicher. Ich frage sie, klar.«
    Wieder lange nichts: »Mache ich. Natürlich. Tschüss.«
    Sie legt das Handy auf die Theke. Schnauft. Schnauft noch einmal. Zersaust ihr Haar. Spricht: »Toddy, ein Bier bitte. Flasche.«
    Jetzt dreht sie durch. Marie hasst Bier. Als Toddy das gewünschte Getränk neben ihr auf die Theke stellt, winkt sie genervt ab: »Nicht für mich. Felix kommt gleich rein.«
    Sie steht auf, blickt in die Runde: »Ja, das war Raphael. Er fährt ganz früh morgen, nach Bad Pyrmont, nein, Bad Oeynhausen, ach, Bad Schlag-mich-tot. Ich hab’s vergessen. Er lässt schön grüßen. Ach ja, Katja, könntest du Black-Out füttern?«
    Katja könnte: »Sicher.«
    »Was hat er noch gesagt?«, fragt Toddy. »Was sollen wir machen?«
    Marie deutet auf unseren Wunschzettel: »Steht doch auf dem Plan. Ich gehe dann mal.«
    Sie schlurft mit hängenden Schultern hinter die Theke. Als sie schon in der Küche verschwunden ist, steckt sie noch einmal den Kopf durch die Tür: »Ich meinte es ernst, haut rein, Kinder. Ich muss nur noch Raffi seine Bärchenslipper bringen. Es geht ihm echt dreckig, aber er dankt euch allen, okay? Seht zu, dass ihr Umsatz macht. Tut’s für Raffi.«
    Sie winkt und ist weg. Welch überraschende Wendung im Weihnachtsmärchen: Frau Grinch bringt ihrem Exmann seine Hausschuhe ans Bett, weil er selbst zu fertig ist, um Weihnachten ganz allein zu zerstören.
    Felix latscht mit den Händen in den

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