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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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knapp über neunundzwanzig kann sich Begierde schon mal als ein scheues Reh erweisen, das sich furchtsam in die Hecken schlägt, nur, weil man mal laut rülpst.
    »Okay, wenn der Versuch zählt, wäre ich dann jetzt bei zwölfdreiviertel!«, tröste ich Gunnar, der erschöpft abwinkt. »Galt nicht, weil ich schon die Nummer eins war.«
    »Sicher?«
    Er rollt sich zur Seite.
    Kurznotizen aus dem Kuschelknigge: Davor ist nett, aber nicht so zwingend, wie die Männerwelt annimmt. Danach ist immer gut, wenn es denn gut war. Stattdessen Kuscheln ist bemitleidenswert. Da hilft es, sich auf seine anderen Hobbys zu besinnen, um den Druck aus der Sache zu nehmen. »Hey, las uns mal aufstehen, wir müssen noch intervenieren.«
    »Geht klar«, spricht mein Casanova vergnügt und flitzt schneller zum Badezimmer, als ich »Erste beim Duschen« sagen kann.
    »Du bist echt genau wie Katja!«, brülle ich ihm hinterher, und Gunnar kreischt mit hoher Stimme: »Oh je, Hilfe, wo ist dann mein Make-up? Und was ziehe ich nur an?«
    Ich liebe ihn dafür. Und für alles andere.
    Vielleicht liebe ich ihn noch mehr, als ich Katja liebe. Wenn ich mich für einen von beiden entscheiden müsste, würde das schwierig werden. Katja hat doppelt soviele Haare auf dem Kopf, aber dafür braucht Gunnar nur halb so lange im Bad.
    Allerdings hat er sich, genau mit derselben schlafwandlerischen Sicherheit wie seine Nebenbuhlerin, mein Lieblingshandtuch aus dem Regal gepickt. Gleichstand.
    »Beeil dich, Doris, es ist schon nach sieben!«, belehrt mich Gunnar, lässt das Handtuch fallen, und schlüpft in seine Jeans. Der Hintern macht ihn zum Gewinner, so leid es mir für Katja tut.
    »Okay, ich brauche nur drei Minuten. Kannst du schon mal ein Taxi rufen?«
    »Für die kurze Strecke? Bist du irre?«
    Ich umarme ihn tröstend, und nehme ihm den unsichtbaren Siegerkranz dabei wieder ab. Katja hätte immer ein Taxi gerufen. Sie hat auch immer Geld für eines übrig.
    Korrumpiert flitze ich ins Bad und beeile mich dort sehr. Bestimmt ist es ebenso unschicklich, unpünktlich bei einer spontanen Intervention zu erscheinen wie zu einer Beerdigung. Ich schlüpfe in meine Klamotten von gestern und will nicht darüber nachdenken, was für Gemeinsamkeiten die beiden Veranstaltungen noch haben.

XXII
    W ir klopfen an die Hintertür und Vladimir öffnet. Er lächelt mich an, zu Gunnar sagt er: »Oh, du auch hier. Na, warum nicht? Kommt rein bitte.«
    Wir folgen ihm durch den dunklen Hausflur, durch die Küche, in der nichts mehr von meiner gestrigen Kochorgie zeugt, hinein in die Kneipe.
    Der Raum ist hell erleuchtet, viel zu hell. Ich kann nicht nur die einzelnen Menschen sofort erkennen, sondern jede einzelne Unebenheit in ihren Gesichtern. Verstörend wirkt ebenfalls, dass sie alle nur Wasser trinken. Nun, dabei werden sich die Bühnenbildner schon etwa gedacht haben, soll wohl eine Anspielung darauf sein, dass das hier heute kein Spaß wird.
    Aber neben dieser brutalen Inszenierung verwundert mich vor allem die Besetzung: Neben Marie, Toddy und Holger sitzen dort auch noch die unvermeidliche Linda und – Olaf? Der verpasst doch seine Lieblingssamstagabendshow im Fernsehen.
    Aber offenbar hat er sich vorgenommen, heute wieder selbst in die Rolle des Moderators zu schlüpfen. Er streicht sich seine Thomas-Gottschalk-Gedächtnis-Frisur zurecht und erkundigt sich bei Vladimir: »Sind dann alle da?«
    Vladimir nickt, Olaf verzichtet auf die Erkennungsmelodie, baut aber allen Ernstes eine Flipchart neben der Theke auf. Das Ding wirkt dort so natürlich wie ein Iglu in der Hölle, aber statt eines Dreizacks zückt Olaf nun einen Filzschreiber. Damit kritzelt er auf dem Papierbogen herum, beschaut sein Werk zufrieden, dreht sich zu seinem Publikum und ruft: »Ta-Da!«
    Olaf hat eine Kakerlake neben einem Hubschrauberlandeplatz gezeichnet. Ta-Da! Brillant, hätte ich mal drauf kommen sollen.
    Während wir alle noch rätseln, wie eine fliegende Schabe Raffi für einen Klinikaufenthalt begeistern könnte, zupft Olaf sein Seidenhalstuch zurecht, hüstelt und erklärt: »Das hier, meine Freunde, soll euch etwas zeigen. Es ist ein Schriftzeichen, nur eines, denn die Chinesen nutzen ein und dasselbe Zeichen für Krise und Chance.«
    Mein Herz setzt aus, ich ahnte es immer: Der Teufel trägt Locken.
    »Boah, Olaf, das ist nicht dein Ernst, oder?«
    »Das ist doch Luxusgejammer … ne, doch nicht, oder Schatz?«
    »Nein, das ist noch schlimmer!«
    »Du kannst doch gar kein

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