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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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des laufenden Songs in meinen Ohren ausschließlich aus dem diabolisch ausgekeuchtem Wort »Agagack« besteht, auch das immer wiederkehrende Motiv der elektronisch verstärkten Triangel erscheint dem Publikum nicht gerade als tanzbar.
    Selbst die ausgekochtesten Headbanger kratzen nur ratlos mit den Füßen auf dem Tanzboden herum, und dabei trinken sie auch noch zu wenig.
    Katja wirkt in sich gekehrt, und soweit ich sie durch den Lärm verstehen konnte, war ihr Ausflug ins traute Heim äußerst frustrierend. Andi war gar nicht zu Hause. Ihre Eltern fanden es gut, dass sie nicht heiraten wollte, da sie an dem Wochenende sowieso an einem Tennisturnier teilnehmen wollten. Und als sie ihre Wut darüber an Andis Anzügen auslassen wollte, musste sie feststellen, das die gar nicht mehr im Schrank hingen.
    »Es war demütigend. Als hätte er mich verlassen«, schreit sie, dann hält sie Linda am Arm fest, um ihr ein paar Tricks zu verklickern: »Hör mal, entweder du bringst deinen Macker dazu, irgendetwas Verdaulicheres aufzulegen, oder es gibt ein Massaker hier.«
    Linda nickt, als hätte Katja sie aufgefordert, mehr Bier kaltzustellen, geht rüber zu ihrem Freund, und knallt ihm eine. Toddy reibt sich die Wange, dann legt er I Can’t Explain von The Who auf.
    Katja zuckt mit den Schultern: »Kunststück. Wir haben ihn eingeritten, Süße, Linda heimst dafür nur die Preise ein, so läuft’s doch.«
    Die Metal-Freunde verlassen in Panik die Tanzfläche, aber sie flüchten Richtung Tränke. So machen sie den Hippiemädels Platz, die ein wenig die Hüften kreisen lassen. Ausladend drehen sie sich hin und her, und da die Tanzfläche von Toddys eingeschränktem Blickwinkel her gut gefüllt aussieht, jagt er noch Light my Fire hinterher. Etwas überdosiert.
    Die rothaarige Hippiebraut meint, sie könnte es sich in ihrer Zeitmaschinenkapsel gemütlich machen und zieht ihre Schuhe aus. Sie wiegt sich weiter und schließt die Augen, damit sie den Kronkorken nicht sieht, in den sie unweigerlich reinlatschen wird.
    »Gut, dass Raffi das nicht mit ansehen muss«, bemerke ich, aber Katja verdreht nur die Augen. Raffi hätte das nicht mit angesehen, sondern sich die Schuhe der Rothaarigen geschnappt und sie mit Natternblut gefüllt. Oder er hätte sie in einem wilden Kasatschok umgenietet und ihr dann einen Schnaps ausgegeben. Vielleicht hätte er die Dame einfach gepackt und vor die Tür gesetzt. Es ist tatsächlich ein Wunder, dass er erst gestern einen Erschöpfungsanfall erlitt. Und dass die Kneipe noch existiert.
    Dem vierzigjährigen Blumenkind dabei zuzusehen, wie es immer und immer wieder haarscharf an dem Kronkorken vorbeikreiselt, macht mich sehr müde.
    »Süße, ich glaube, ich haue tatsächlich gleich ab. Ich warte nur noch auf Gunnar.«
    Katja kichert: »Tja, hättest du auch nicht gedacht, dass ausgerechnet Vladimir ihn dir ausspannt, was? Aber er hat nun einmal dieses Gesicht, dem keiner wiederstehen kann, unser Vladi.«
    Tatsächlich sind die beiden vor über zwei Stunden ins Büro verschwunden, wo Vladimir Gunnar die Abläufe erklären wollte. Die Abläufe! Da steht ein Telefon, das klingeln kann, ein Computer, der brummt, und eine Kaffeemaschine, die Batteriesäure ausspuckt.
    »Gib mir halt doch ein Bier«, murmle ich, immer noch auf die Kreiselfrau fixiert. Obwohl Toddy auf Punkrock umgeschaltet hat, dreht sie sich weiter um den Kronkorken.
    »Macht eins dreißig«, sagt Linda, und ich lächle zurück: »Mitarbeitertarif?«
    »Mitarbeitertarif.«
    Sie ist gar nicht so übel, wenn sie nicht gerade Toddy abschlabbert.
    Ich vernehme ein Poltern aus dem Treppenhaus, ein Krach, den zwei große Männer erzeugen, absichtlich, wenn sie große Dinge planen. Sekunden später öffnet sich die Küchentür, Gunnar und Vladimir haben ihren Kumpelgruß verfeinert, mit den Fäusten tippen sie sich auf die Brust: »Du hast sehr gute Ideen, Gunnar, so ist es viel praktischer.«
    »Hey Alter, du hast gute Vorarbeit geleistet.«
    »Montag, vier Uhr. Dann wir packen an das Projekt.«
    Wie ein Werbespot für einen Baumarkt, Drehbuch und Regie: Rosa von Praunheim.
    Jetzt geht es los, ich bin eifersüchtig auf Vladimir. Das passiert, wenn man rothaarigen Frauen dabei zusieht, wie sie sich um die eigene Achse drehen. Alles steht Kopf, denn tatsächlich bin ich eifersüchtig auf Gunnar. Wie kann er es wagen, unseren großen Denker einfach »Alter« zu nennen und ihm auf die Brust zu klopfen? Hält er sich für einen Bärenflüsterer?

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