Betreutes Trinken
Zen-Meister, er spricht weise und beruhigend auf den Aggressor ein: »Klar. Mach ich. Ich habe eh gerade nix zu tun, danke für das Angebot.«
Bevor Vladimir oder ich Einwände erheben können, erteilt Katja ihm den Zuschlag: »Cool, Gunnar, da bist du genau der Richtige für den Job. Ich meine, du kennst das ja, als Bandfahrer, ist ja nur ein Wechsel vom Tourbegleiter zum Bodenpersonal, quasi.«
»Quasi«, wiederholt Olaf, aber nur, weil Berater das Wort nicht oft genug hören können. Ich hasse quasi. Ich will, dass nicht Katja, sondern Marie das absegnet, klar, eindeutig und sofort. Sie schaut uns an, einen nach dem anderen, und gibt zu bedenken: »Jemand muss aber auch Raffis Putzschichten übernehmen.«
»Ach, sicher, klar«
»Machen wir, natürlich.«
»Das kriegen wir ja mit links hin.«
Vladimir öffnet den Mund, aber entschließt sich, nichts dazu zu sagen.
»Okay«, gibt Marie sich geschlagen, »versuchen wir’s!«
Vladimir unterbricht das aufgeregte Schnattern rigoros: »Bitte, wir können nur überzeugen Raffi, wenn wir sind auch überzeugt selber.«
»So hätte ich es auch formuliert. Zumindest fast«, mosert Olaf, Vladimir hält den Schichtplan hoch.
»Ich will, dass hier ist keine freie Stelle mehr, wenn Raffi gleich kommt. Überall steht ein Name drin, sonst können wir alles vergessen.«
Und schon beginnt ein munteres neues Gesellschaftsspiel, eine Mischung aus Wochenmarktauktion, »Schiffe versenken« und »Spitz, pass auf«.
Wie erwartet sind die Thekenschichten am schnellsten vergriffen, Toddy kann also ans DJ-Pult ausweichen und trotzdem ganz nah bei seiner Liebsten sein. Allerdings hat er ja noch zwischendurch Bandprobe. Per Telefonkonferenz erhält Holger Alberts Zuschlag für drei weitere Abende mit ihm am Plattenteller. Für das Putzen haben sich Marie und Vladimir eingetragen, an einem Tag steht sogar »Holger«. Tief gerührt trage ich mich für die vier übrigen Putztage ein. Macht zusammen mit dem Kochen erst zehn Arbeitseinsätze in sechs Wochen.
»Baby, übernimm dich nicht«, rät mir Gunnar, der sich über meine Schulter beugt und die neue Magna Carta des »Dead Horst« studiert: »Guck doch mal, du kannst nicht gleichzeitig Kasse machen und kochen.«
Bevor ich diese These in Frage stellen kann, meldet sich Vladimir über meine andere Schulter: »Ah, er hat recht, der Mann.«
Der Mann. Nicht mehr Bürschchen. Wenn Gunnar jetzt einfach mal das Maul hält, könnten die beiden vielleicht doch noch Freunde werden. Er kann, und Vladimir schlägt vor: »Vielleicht kannst du an dem Abend die Kasse machen. Ich wollte dich sowieso eintragen für Bürodienst, davor. Geht in Ordnung?«
Gunnar überlegt. Was überlegt der noch? Vladimir hat nach seiner Meinung gefragt. Ihn sogar um etwas gebeten. Wartet er darauf, dass Vladimir auf die Knie fällt und seinen Ring küsst?
Es gäbe viel weniger Elend auf der Welt, wenn Männer nicht solche Zicken wären: »Ja, ist in Ordnung. Und wenn du mich eintragen willst, mein Name ist übrigens Gunnar«, bricht er endlich den Bann, und Vladimir lässt sich zu einem Grinsen hinreißen: »Ja, ich weiß: Gunnar, Fahrer von Saunaboys aus Finnland.«
Klingt wie ein sehr günstig zu habender Adelstitel, aber Gunnar lacht: »Genau der, und du bist Vladimir, richtig?«
Die beiden geben sich nun friedfertig die Hand, klopfen sich auf die Schulter, mit ganz leichtem Körperkontakt im Brustbereich, wie Fußballnationaltrainer und Mannschaftsarzt nach dem lang erwarteten Tor in letzter Minute.
Verstehe einer die Kerle. Immerhin bin ich nicht die Einzige, denen das Verhalten einiger Anwesender rätselhaft erscheint. Olaf steht kopfschüttelnd neben seinem Flipchart und versucht, sich Gehör zu verschaffen:
»Ja, toll, jetzt haben wir den Schichtplan fertig, prima, Raphael wird begeistert sein. Aber ich denke, wir sollten jetzt schon weiterdenken. Für die Zukunft noch ein paar zusätzliche Events einplanen, etwas Innovatives, was uns von der Konkurrenz abhebt …«
Endlich doch Bier. Das erste landet direkt in Olafs Lockenpracht.
»Toddy!«, herrscht Vladimir ihn an, und Olaf quiekt: »Du homophobes Schotten-Arschloch!«
»Hey, Alter, das war nicht korrekt!«
»Ne, gar nicht, du hast ›Event‹ gesagt, und ›innovativ‹, das macht man nicht, Olaf.«
»Genau, das möchte ich hier drin nicht hören.«
»Allerdings verschwendet man auch kein Bier, Toddy.«
»Hast du homophobes Schotten-Arschloch gesagt? Du kommst ja richtig aus dir raus,
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