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Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)

Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)

Titel: Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Bartel
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gen Snoezelraum lotste, hat er sich bereits als Leiter der Einrichtung vorgestellt.
    »Ich bin Käpt’n Horsti«, sagt er, knufft dem Superintendenten in die Seite und deutet in den Raum. »Und das sind alles Bekloppte.« Der Kleriker schaut würdevoll, aber unverständig.
    Frau Diepenkötter legt den Finger auf die Lippen und macht sehr laut »Psst«, wie sie es immer tut, wenn Ruhe einkehren soll. Der pädagogischen Theorie nach sollten jetzt alle den Finger auf die eigenen Lippen legen und still sein. Aber weil die Praxis der Theorie wieder mal um eine Nasenlänge voraus ist, brüllt sie: »Ruhe, verdammt nochmal!« Es wirkt.
    Der Landeskirchenmann sagt, dass sie – die geschätzte Frau Diepenkötter, souffliert einer seiner Begleiter – hier wohl ein strenges Regiment führe, und während die Diepenkötter errötet, salbadert er begütigend auf sie ein. Es sei eine große, nachgerade modellhafte Einrichtung, sagt er, die hier mit großem persönlichem Engagement und viel Herzblut geleitet werde und ausgezeichnete Arbeit im Sinne und in der Nachfolge unseres Herrn Jesus Christus leiste.
    Das ist natürlich bloß eine Zusammenfassung, ich habe ein paar Bibelverse und Anmerkungen zum knappen Haushalt der Landeskirche weggelassen. Horsti schaut wie Homer Simpson, kurz bevor er »Langweilig!« ruft, beschränkt sich dann aber darauf, übriggebliebene Kohlrouladen von den Tellern seiner Nachbarn zu klauen.
    Dann singt der Chor. Milva bringt ein durchaus passables Solo zu Gehör, dem ihre Eltern mit gemischten Gefühlen lauschen würden. Sie sind nicht so für amtskirchlich christliche Propaganda und hatten für Janis Joplin plädiert, während Milva lieber »Mein Freund der Baum« singen wollte. Es ist dann aber »Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer« geworden, denn es ist, wie gesagt, ein evangelischer Verein.
    Damit die Rollstuhltanzgruppe auftreten kann, werden die Tische beiseitegeräumt.
    Ein orientalisch aussehender Junge mit silbernem Sturzhelm steuert sein Gerät mit dem Mund. Er kaut auf einem Schlauch herum, wie das genau funktioniert, weiß ich nicht, aber es klappt bestens, jedenfalls bis der Gitarrist sein erstes Solo spielt und dann zusammen mit dem Orchester das dräuende Thema des Concierto de Arauguez fortissimo wiederholt.
    Da geht es mit dem Jungen durch, wüst grinsend hebt er zu einer schwungvollen Runde um seine Kollegen an, die sich in der Mitte formiert haben.
    Die erste Runde packt er, gurgelt ein beglücktes Geräusch, beschleunigt und geht wieder, diesmal noch enger, in die Kurve.
    »Rashid«, brüllt der Leiter der Tanzgruppe, aber der Angesprochene ist nicht mehr erreichbar. Sein Gesicht verrät tiefste Entrücktheit, doch in seinem schiefen Grinsen spiegelt sich noch etwas anderes: Es ist die unbedingte Entschlossenheit, Scheiße zu bauen. Ich kenne diesen Blick. Rashid guckt wie Tante Matthes auf Speed, und er fährt auch so.
    Rashid kneift die Augen zu, beschleunigt, legt sich noch weiter in die Kurve, der Rollstuhl neigt sich zur Seite, die Räder heben vom Boden ab. Er prescht auf zwei Rädern um die Herde in der Mitte, kassiert Szenenapplaus und Zwischenrufe, wirft seinem Choreographen einen triumphierenden Blick zu und verliert dabei den Schlauch aus seinem Mund.
    Sein Gefährt eiert führerlos auf den Außenrädern herum, ein Aufschrei des Entsetzens seitens der aufmerksamen Zuschauer brandet auf.
    Der Rollstuhl kracht wieder auf alle vier Räder, Rashid wird durchgeschüttelt, kommt aber sicher zum Stehen.
    Für einen Moment ist es totenstill, dann brandet ein Beifall auf, wie ihn diese Werkstätte wohl noch nie gehört hat. Rashid hüpft begeistert in seinem Rollstuhl herum, und wenn er nicht angeschnallt wäre, würde er spätestens jetzt hinausfliegen. Er nimmt sein Mundstück wieder auf, fährt eine Ehrenrunde und lässt sich feiern.
    Diepenkötter und der Tanzgruppenleiter atmen auf und der Generalsuperintendent geruht, die improvisierte Bravade gnädigst zu beklatschen. Ihre Gesichter aber sagen: Das wird Folgen haben.
    Gerade als Rashid wieder zum Stehen kommen will, treten die Folgen ein: Sein Gesicht verzerrt sich, färbt sich rot, die Adern an seiner Stirn quellen hervor, hinter flirrenden Lidern zucken die Augäpfel, nur noch ein weißer Schlitz ist von ihnen zu sehen. Rashids Halsmuskel vibriert, seine Arme zucken unkontrolliert herum und die Kiefer pressen wie Schraubzwingen gegeneinander.
    Glücklicherweise hat er etwas im Mund, sonst hätte er sich leicht die

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