Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)
Englisch ist wirklich viel besser geworden.
Er brüllt Sätze wie »Fuck me harder« und »I’ll come on your tits« mit der berserkerhaften Leidenschaft eines Iggy Pop durch die Gegend, und einmal hat er tatsächlich sogar »I wanna be your dog« gerufen, aber Priscilla scheint es zu gefallen, zumindest pflegt sie mit einem schrillen »Yeah, give it to me« oder so zu antworten. Es geht zu wie auf einem Pornodreh, und eigentlich stört es mich, weil es total überinszeniert klingt, aber ich hole mir meist trotzdem auf dem Klo einen runter, weil ich sonst erst recht nicht einschlafen kann.
Matthes erzählt von Oma Wittrichs Einliegerwohnung, die seit dem Tod ihres Sohnes unbewohnt ist.
»Sie ist voll möbliert, wir brauchen den ganzen Scheiß eigentlich gar nicht.«
Matthes zeigt auf meine Sachen.
»Na ja«, sage ich und hechte zur Tür, um ein paar Jungs meinen Ficus zu entwinden. »Es ist ja auch kaum noch was übrig.«
Matthes hat bloß eine Zahnbürste und ein paar CDs, weil sein Mitbewohner das Schloss hat auswechseln lassen. Irgendwie hat Matthes wohl keine Miete mehr bezahlt, dabei hat er immer Geld.
Als wir an der Haltestelle angekommen sind, helfen uns zwei angetrunkene Polen beim Ausladen, bis der Fahrer sich aus dem Führerstand lehnt und brüllt, dass wir jetzt endlich die Türen freimachen müssten, sonst würde er die Polizei holen.
»Ficke dich«, brüllen die Polen und werfen eine leere Bierdose nach ihm.
Ich schenke den beiden meinen Sessel für ihre Hilfe.
Sie wollen lieber meine Gitarre haben, aber die kriegen sie nicht.
Sie würden auch immer Sperrmüll sammeln gehen, erzählen sie, aber sie hätten einen Transporter, das sei praktischer.
Matthes kichert, ich sage nichts dazu und wende mich meinen Habseligkeiten zu. Bis auf die Stehlampe und den Sessel fehlt nichts, aber jetzt müssen wir einen Teil an der Haltestelle zurücklassen, weil wir nicht alles auf einmal tragen können.
Die Polen bieten uns ihre Hilfe an, aber Matthes meint, das würde Oma Wittrich irritieren. Sie habe manchmal Angst vor Fremden.
Als die beiden weg sind, erklärt er, dass man Oma Wittrich nicht mit Polen kommen dürfe, da werde sie fuchsteufelswild, weil sie damals aus Schlesien vertrieben worden sei, aber sonst sei sie eine Herzensgute. »Eine ganz eine Liebe«, sagt er auf Bayerisch.
Na dann, sage ich und schultere meine Matratze. Als Matthes meinen Kleiderschrank nehmen will, fällt der auseinander.
»Ikeaschrott«, sagt Matthes und wirft die Bretter an den Straßenrand.
Ich werde wütend, weil das immerhin meine Sachen sind, aber Matthes rollt mit den Augen.
»Du musst auch mal loslassen können«, sagt er. »Du hast immer Angst, dass du etwas verlieren könntest, auch wenn es bloß Schrott ist. Das ist nicht gut für dich, Mann.«
Pah, denke ich, loslassen können. Ich kann loslassen. Ich habe Rieke nach Hamburg ziehen lassen. Ich bin frei. King of my castle. In meiner Badewanne Kapitän. Ich wünschte, ich wäre glücklicher. Vielleicht werde ich ohne meinen alten Schrank glücklicher sein.
Wir schleppen den Kram die moosbewachsene Auffahrt hinauf und stellen ihn vor dem Haus von Oma Wittrich ab. Es ist ein kleines Fünfziger-Jahre-Haus mit falscher Klinkerverkleidung und Tüllgardinen hinter den Fenstern.
»Es sieht genauso aus wie das Haus meiner Eltern«, stelle ich fest. Sehr ernüchtert stelle ich das fest. Andererseits, was hatte ich erwartet?
»Dann musst du dich ja nicht mal umgewöhnen«, sagt Matthes.
Dabei ist das der Sinn der ganzen Übung. Aber das erkläre ich Matthes nicht. Das würde er nicht verstehen. Außerdem darf man nicht allzu wählerisch sein, wenn man keine Miete zahlen kann.
Als wir zurückkehren, stehen meine übrigen Sachen noch vollzählig an der Haltestelle. Es sind sogar ein paar neue dazugekommen. Jemand hat einen kaputten Fernseher, ein altes Damenrad und einen wackligen Schrank dazugestellt.
Matthes tritt gegen den Schrank.
»Der ist besser als dein alter«, sagt er und beschert mir gleich darauf einen weiteren Karfunkelstein selbstgeschürfter Philosophie. Es ist ein Schrankgleichnis, das davon handelt, dass irgendein bekiffter Weltgeist jene, die freiwillig dem Anspruch auf weltlichen Besitz entsagten, mit weitaus prächtigeren Gütern belohne.
»Seht die Vögel unter dem Himmel an. Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen und euer himmlischer Vater ernährt sie doch«, antworte ich.
»Was ist das?«
»Mein
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