Betrügen lernen
Fleckenlaubenvögel. Er lebt auf Neuguinea und in Australien und muss eigentlich ziemlich bescheuert sein. Er ist zwar mit dem Paradiesvogel verwandt, aber trotzdem eher ein unschein barer Geselle. Um die Mädels zu beeindrucken, baut er aufwendige Nester. Je hässlicher der Vogel ist, desto hübscher wird die Hütte, die er für seine Liebste errichtet. Er nimmt dazu beispielsweise Flaschendeckel und alte Plastiktüten und verwebt sie kunstvoll mit Ästen, Blättern und Kleinholz, um seine Angebetete zu beeindrucken. Er errichtet sogar eine Art Allee und einen Maibaum vor dem Hausausgang. Je mehr Müll er findet, desto festlicher kommt ihm sein Liebesnest vor. Komischer Vogel – verkehrte Welt: Was er als Schmuck für sein Heim benutzt, um seine Liebste zu beeindrucken, muss ich wegräumen und in den Abfall geben, damit Clara sich wohlfühlt.
Ich verstaue den Staubsauger nach getaner Arbeit, kaufe anschließend ein, lüfte alle Räume und bereite sogar einen Nudelsalat für das Abendessen vor. Die männliche Skorpionsfliege überreicht dem paarungsbereiten Weibchen gerne ein nahrhaftes Drüsensekret als Brautgeschenk. Mal sehen, ob Clara meine ernährungswissenschaftlich ausgewogene Liebesgabe ebenfalls zu schätzen weiß.
Mist, die Blumen habe ich vergessen. Zwischendurch frage ich mich, ob ich mich hier gerade zum Dackel mache und wer wohl in unserer Beziehung die Hosen anhat. Blödsinn, wenn man sich liebt, kann man dem anderen auch mal eine Freude bereiten, ganz ohne Hintergedanken und ohne immer an sich und seine Stellung in der Beziehung zu denken. Da vergibt man sich nichts. Man muss das Zusammenleben von Mann und Frau nicht nur als Machtspiel sehen, es hat auch etwas von einem Kontinuum, in dem man sich mit allen Unterwerfungsgesten aneinander gewöhnt und dieses wohlige Gefühl der Abhängigkeit nicht missen will.
Clara kommt, und sie ist, freundlich ausgedrückt, etwas gereizt.
Die Fahrt ist anscheinend anstrengend gewesen, sie hat die vergangenen Nächte schlecht geschlafen und kaum das erledigen können, was sie sich vorgenommen hatte.
»Ich will jetzt meine Ruhe haben«, sagt Clara zur Begrüßung, nachdem sie mir einen flüchtigen Kuss an der Wange vorbeigehaucht hat. Sie verschwindet nach oben und ruft mir im Abgang zu: »Ich habe noch bei Gesine eine Pause gemacht und dort etwas gegessen. Wir mussten endlich mal wieder reden.«
Meinen Nudelsalat, den ich demonstrativ in die Mitte des Küchentischs gestellt habe, dort, wo die Sets eine kleine Lücke lassen, nimmt sie überhaupt nicht wahr. Ich habe sogar Kräuter und Paprika drum herumdrapiert und Gurken und Tomaten aufgeschnitten.
Sie geht in die Badewanne. Fein, denke ich, vielleicht macht das Schaumbad sie weich. Ich esse im Stehen ein paar Nudeln und ein kaltes Würstchen und wische dann ein Haar vom hellen Boden auf, das ich bei meiner Reinigungstour übersehen haben muss.
Ich bin lange vor ihr im Bett und warte schon ungeduldig auf sie. Vielleicht eine halbe Stunde, es mag auch eine Stunde sein, beinahe nicke ich ein. Tue ich aber doch nicht, dafür passiert ihr das. Clara ist in der Badewanne eingeschlafen und nicht wirklich wieder wach geworden, auch wenn sie jetzt ins Schlafzimmer gewankt kommt. Sie legt sich ins Bett und beginnt sofort, die Decke unter ihrem Körper festzuzurren, sodass ich keine Chance habe, ihr näher zu kommen. Ich müsste schon ein Messer zu Hilfe nehmen, um sie aus dieser selbst gewählten Zwangsjacke zu befreien.
»Hast du gesehen, wie viel Mühe ich mir gegeben habe, damit es dir gefällt, wenn du wiederkommst?«, frage ich. »Ich will ja nur, dass es dir gut geht.«
Wie ungeschickt von mir! Ich spüre es in dem Moment, indem ich es sage, auch wenn ich natürlich ein berechtigtes Interesse an ihrer Anerkennung habe. Wofür beziehungsweise für wen habe ich denn diesen ganzen Zauber überhaupt veranstaltet?
»Das hast du ja wohl auch für dich gemacht, oder?«, entgegnet sie, und ich spüre eine gewisse, schwer zu beschreibende Ferne zwischen uns.
Ich muss an die Postkarte denken, die mir ein Freund vor Kurzem geschickt hat. Darauf sieht man ein Paar, das gemeinsam nebeneinander im Bett liegt, aber viel Platz zwischen sich frei lässt und ziemlich desillusioniert die gemeinsame Schlafzimmerschrankwand anschaut. »Du bist so anders, seit ich dich verändert habe«, sagt sie zu ihm auf der Postkarte vorwurfsvoll. Der Mann auf der Postkarte schweigt.
Ich schweige auch eine Weile und richte mich darauf ein,
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