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Betrügen lernen

Betrügen lernen

Titel: Betrügen lernen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Bartens
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gleich einzuschlafen. Heute wird gar nichts mehr laufen, dafür habe ich mittlerweile ein untrügliches Gespür.
    »Du musst dich öfter unabhängig von mir machen und manchmal einfach das tun, wozu du Lust hast und was für dich gut ist«, sagt Clara und dreht mir den Rücken zu. »Du solltest viel selbstständiger werden. Dann wirst du auch wieder viel interessanter für mich.«
    Ich denke daran, dass sie mich ja nicht tun lässt, wozu ich Lust habe, und sie ist nun mal kein unerheblicher Fak tor für diese Lust. Mir fällt die paradoxe Aufforderung »Sei spontan!« ein. Es gibt viele Fallen, die das gemeinsame Leben mit einer Frau in regelmäßigen Abständen bereithält.
    Was gut für mich ist? Ich würde mir ja sofort Testosteron abnehmen lassen, wenn das so einfach ginge wie Blut spenden und dazu führen würde, dass die Lust dann eine Weile einschläft. Schön dosiert, immer wieder, wenn es nötig ist. Das ist laut Luis Buñuels Autobiografie der einzige Vorteil, den das hohe Alter bereithält – dass diese ewige Pein endlich nachlässt. Mach doch mal, wozu du Lust hat – hat die eine Ahnung.
    Ich bin doppelt sauer auf Clara und fühle mich trotzdem gleich in doppelter Weise an sie gebunden. Erst war da die Schwangerschaft, da war es schwierig. Dann kam die Stillzeit, da war es auch schwierig. Dann die durch wachten Nächte, dann den Berufswiedereingliederungss tress nicht zu vergessen. Das war vielleicht schwierig. Und für den völlig unwahrscheinlichen Fall, dass es fast mal so weit kommen sollte – dann steht eines der Mädchen in der Tür und hat in die Hose gemacht.
    Gemein ist auch: Ich muss jetzt ja viel öfter wegen der Kinder zu Hause bleiben als Babysitter oder als Ins-Bett-Bringer. Daher kann ich im Vergleich zu früher viel weniger Sport treiben – ich komme seltener zum Joggen und gehe überhaupt nicht mehr ins Fitnessstudio. Aus diesem Grund habe ich sowieso schon seltener Gelegenheit, Frauen zu treffen. Und wenn ich welche sehe, was selten genug vorkommt, ist mein Körper nicht mehr so trainiert und gestählt wie einst, sodass mich die Frauenwelt weniger attraktiv findet. Das ist doppelt gemein, ich habe keine Chance mehr, und darüber hinaus verkomme und verfette ich innerlich wie äußerlich.
    Trotzdem war ich immer sehr einfühlsam. Während der Schwangerschaft habe ich wie Clara in den neun Monaten zwölf Kilo zugenommen – ohne allerdings danach wieder abzunehmen. Und natürlich bin ich gern mit unseren beiden Mädchen zusammen. Als sie noch sehr klein waren, habe ich sie stundenlang beobachtet und mich gefragt, wann sie – wie die kleinen Schimpansenbabys – sich selbst das erste Mal im Spiegel erkennen würden. Das ging erstaunlich schnell. Aber diese Fähigkeit verliert der Mensch wohl wieder, wenn er erwachsen wird, denn Clara braucht morgens eine halbe Stunde vor dem Spiegel, bis sie sich wiedererkennt.
    Ich bleibe vielleicht noch zwei, drei Minuten im Bett liegen, dann stehe ich mit einem Ruck auf und verschwinde aus dem Schlafzimmer. Ich bin gekränkt. Clara soll merken, dass ich es diesmal ernst meine. Ich gehe ins Bad, aber nicht wegen des Spiegels. Ich weiß, wie ich aussehe, und spätabends verändert sich das nicht zum Vorteilhaften. Ich kann ja ein paar Sachen packen, das Haus verlassen und mir ein Hotelzimmer nehmen. Einfach so. Sie wird schon sehen, was sie davon hat. Ich würde mich einfach nicht melden und ein paar unbeschwerte Tage ohne sie verbringen. Soll sie sich ruhig Sorgen machen. Soll sie mich ruhig vermissen. So kann sie schließlich nicht mit mir umgehen.
    Ich bleibe etwas länger als gewöhnlich im Bad, wahrscheinlich fragt sie sich schon längst, wo ich bleibe. Soll sie doch. Bestimmt wälzt sie sich gerade unruhig im Bett hin und her, zermartert sich das Gehirn, wo ich bin. Ich werde sie noch eine Weile auf die Folter spannen, sie soll merken, wie das ist, wenn man so missachtet wird. Bestimmt bin ich jetzt schon mehr als 20 Minuten im Bad. Bestimmt wird Clara gleich im Negligé im von Mondschein erhellten Wohnzimmer stehen und mit tränenerstickter Stimme die Polizei anrufen und eine Vermisstenanzeige aufgeben.
    »Hallo, ist da die Polizei? Mein Mann ist weg, nein, ich weiß auch nicht, wohin. Nein, er hat keine Freundin, nein, wo denken Sie hin? Ich habe Angst, dass ihm etwas zugestoßen ist. Nein, es ist nichts vorgefallen bei uns, nein, nein, nein, keine Erpressung und auch keine Entführung. Das heißt doch. Nein, keine Entführung. Aber ein

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