Betrügen lernen
und naturverbunden riecht. Außer natürlich nach Schweißfüßen.
Letzte Korrekturen
Dorothee klingt so ernst, als sie das nächste Mal anruft. Das kennt Clara gar nicht von ihr. Bekommt sie jetzt etwa doch kalte Füße, da das Fest unmittelbar vor der Tür steht? Nur noch vier Wochen. Oder wird sie endlich erwachsen und hört auf mit diesem Gejammer, immer noch nicht den richtigen Kerl gefunden zu haben?
»Ihr müsst euch das mit dem Fest ganz grundsätzlich überlegen«, sagt Dorothee.
»Was stört dich denn diesmal? Die Tischkarten, das Essen, sind unanständige Vorführungen geplant, oder willst du wieder über die Männer-Frauen-Quote mit mir reden?«
»Nichts von alledem, es ist grundsätzlicher.«
Pause, Pause, Pause. Dorothee bleibt den Ritualen ihrer Gesprächsführung treu. Clara allerdings auch, sie wartet, bis Dorothee von allein weiterredet.
»Ihr solltet das Fest ganz absagen.«
»Das ist ja mal eine originelle Variante«, sagt Clara, die diesmal ehrlich überrascht ist. »Wird dir die Planerei zu viel?«
»Nein, das ist es nicht.«
»Das könnte ich allerdings verstehen. Du hast dir schon viel Arbeit gemacht, und so gründlich, wie du dich da hineinkniest, muss es fast wie ein Halbtagsjob für dich gewesen sein. Aber hör mal, Dorothee. Du musst das nicht machen. Wir sind dir total dankbar, aber keiner von uns ist dir böse, wenn du jetzt aufhörst. Wir bekommen das Fest auch so hin. Und du kannst dich dann umso mehr darauf freuen, wenn du nur als Gast kommst und dich nicht auch noch für alles verantwortlich fühlen musst.«
»Das ist es nicht. Ich will nicht kommen!«
»Wie bitte, was soll das denn? Haben wir dir etwas getan?«
»Nein, es hat nichts mit euch zu tun. Wirklich nicht.«
»Was ist es dann, sag schon!«
»Ich habe mich verliebt.«
»Na endlich, wie goldig, das ist doch prima. Gratuliere. Aber wo ist das Problem? Bring ihn doch einfach mit.«
»Nein, das geht nicht. Wir stehen nicht auf solche Feste.«
»Auf solche Feste? Was soll das denn heißen? Und warum überhaupt ›wir‹? Wer ist dieser Kerl, der dir unser Fest madigmachen will?«
»Shayesch ist ein ehemaliger Sanyasi. Er nennt sich zwar noch so, aber er hängt den Lehren Bhagwans längst nicht mehr an. Er ist bei einer höheren Bewusstseinsstufe angelangt.«
»Verstehe, und die erlaubt ihm nicht, dich zum zehnten Hochzeitstag deiner ältesten Freunde zu lassen. Ich hoffe, dass ich diesen Grad der Bewusstlosigkeit nie erreichen werde.«
»Nun nimm’s doch nicht gleich persönlich. Er hat nichts gegen euch und ich ja erst recht nicht, wie du weißt.«
»Nein, natürlich nicht. Wie sollte man einen solchen Boykott auch persönlich nehmen, das wäre ja völlig abwegig.«
»Es geht um die Art des Festes. Habt ihr nie überlegt, auch mal auszubrechen aus den Plänen für eure konventionelle Feier und etwas anderes zu versuchen?«
»Du meinst mit Schnitzeljagd, so wie bei den Kindergeburtstagen von Miriam und Rebecca?«
»Ironie ist die Sprache der Unterdrückten, Clara. Das hast du doch nicht nötig. Es geht einzig darum, ein Fest zu feiern, bei dem man sich näher kommt und sein Bewusstsein erweitert.«
»Sag doch gleich, dass er bei uns sein Haschpfeifchen rauchen will. Kann er machen, kein Problem.«
»Vergiss es, du willst es nicht verstehen. Wir werden jedenfalls nach Sri Lanka aufbrechen und dort in einem Camp auf die nächste Stufe des Seins hinarbeiten. Viel Spaß euch trotzdem bei dem Fest.«
Reibungsverluste
Es gibt diese Momente, in denen ich das Gefühl habe, dass etwas nur für mich geschieht. Ich bin der Hauptdarsteller in einem Stück, so ähnlich wie Jim Carrey in dem Film »Truman-Show«. Mein ganzes Leben ist die Folie für einen Film – aber woher wissen die das alles über mich? Und wer sind die?
Ich habe kürzlich von einer Studie gelesen, in der Menschen mit Midlife-Crisis weltweit miteinander verglichen wurden. Zigtausende Menschen in Dutzenden von Ländern am Tiefpunkt ihres Lebens. Wie deprimierend. Demnach schlug die Midlife-Crisis im Durchschnitt mit 42,9 Jahren zu. Ich muss nur kurz die Dezimalzahl auf zwölf Monate umrechnen, um zu erkennen: Bingo, bald ist es so weit. In ziemlich genau drei Jahren wird das exakt mein Alter sein, und mir geht es schon jetzt so was von mittelprächtig.
Ich kann mich kaum noch an die Zeiten erinnern, als es einfach so klappte. Das muss schon Jahrzehnte her sein. Wir waren abends müde und gingen ins Bett, und dann fanden wir ohne großes
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