Betrügen lernen
erwartet. Doch dazu müsste sie erst mal wissen, was sie will.
Ein Hauch von Liebe
Wir sind auf dem Weg zu ihr. Es ist ein wundervoller Abend, der beiläufig angefangen hat, so wie es sich gehört für wundervolle Abende. Nach dem Abendessen haben wir erst unschlüssig herumgetändelt. Ich zahlte, dann standen wir eine Weile vor der Tür des Restaurants. Wir sind anschließend ziellos durch die Stadt geschlendert. Ich achtete dabei so wenig auf den Weg, dass ich mich nicht gewundert hätte, wenn wir am selben Punkt wieder angekommen wären. In der Wüste oder in der Antarktis geht man ja angeblich ohne Orientierung auch immer im Kreis herum, weil ein Bein stärker ist als das andere und man daher unbewusst eine Kurve einschlägt.
Plötzlich stehen wir vor ihrer Tür.
Bisher haben wir uns noch nicht umarmt, nicht mal Händchen gehalten. Ab und zu beim Gehen, Stehen und Herumalbern berühren wir uns scheinbar zufällig, sodass es kribbelt. Jetzt kann mehr daraus werden.
Sie drückt die Haustür auf, wir gehen die Treppe hoch zu ihrer Wohnung. »Ziehst du die Schuhe aus«, ruft sie, nachdem sie die Tür aufgeschlossen, ihren Schlüssel in einem unfassbar hässlichen Tongefäß abgelegt und ihre Schuhe abgestreift hat. Es klingt auffordernd und verrucht zugleich, und ich schmelze bereits dahin, auch wenn ich mich frage, ob ich einer Frau näherkommen kann, die solche verunstalteten Tonnäpfe im Eingangsbereich ihrer Wohnung aufstellt.
Den ganzen Abend lang habe ich nicht eine Sekunde daran denken müssen, aber jetzt durchfährt es mich wie ein elektrischer Stromschlag. Ich habe Angst davor zu schwitzen. Schweiß, mehr noch Schweißgeruch, ist kein männlich-triebhafter Ausfluss erotischer Sinnlichkeit für mich, sondern ein Lustkiller. Ich muss an einen Kollegen denken, der immer wieder darüber klagt, dass er völlig unsymmetrisch unter den Armen schwitzt. Unter dem rechten ganz stark, sodass sich schnell ein riesiger Schweiß fleck unter seiner Achsel bildet, unter dem linken kaum. Oder war es andersherum? Jedenfalls versucht er einen Arm stärker vom Oberkörper wegzuhalten beim Essen, was ziemlich bescheuert aussieht und ein entspanntes Essen mit ihm fast unmöglich macht.
Gegessen haben wir zwar schon, das ist also nicht das Problem. Auf ihr »Ziehst du die Schuhe aus?« habe ich aber immer noch nicht geantwortet. Ich habe Angst vor dem Schweißgeruch an meinen Füßen, während sie ver mutlich schon ihre Gewänder ablegt und mich in ihr Liebesnest locken will. Höre ich da nicht schon diese gurren den Laute? Ist sie das, oder hat sie einen Nymphensittich? Ich stelle mir vor, wie wir uns gleich innig umschlungen halten werden, sie dann aber plötzlich von mir ablässt, ein wenig herumschnüffelt und mit ekelverzerrtem Gesicht fragt: Was riecht denn hier so komisch?
Es gab mal eine Fernsehwerbung, in der ein unverschämt gut aussehender Mann zu Bekannten eingeladen wird. Alle haben gute Laune, doch dann soll er die Schuhe ausziehen. Offenbar fällt ihm erst in diesem Moment wieder ein, dass er Schweißfüße hat wie nix Gutes. In der Werbung steigen aus seinen Schuhen wabernde Schweißschwaden wie aus Aladins Wunderlampe der Geist. Ich weiß nicht mehr, wie der Spot für die Schweiß absorbierenden Einlagen genau ausgeht. Wahrscheinlich wird der Mann mit Peitschenhieben davongejagt oder mit Deorollern beworfen, aber ich fürchte mich vor einem ähnlichen Schicksal. Andererseits ist es jetzt zu spät für die geruchshemmenden Einlagen.
Ich stehe noch immer unschlüssig im Flur der Dame herum, fasse mir aber schließlich ein Herz und ziehe nun doch ganz, ganz vorsichtig die Schuhe aus, um so wenige Duftwolken wie möglich aufzuwirbeln. In diesem Moment möchte ich ein Eisbär sein. Eisbären sind durch ihr Fell und ihre Fettschicht so gut isoliert, dass sie keinerlei Wärme abgeben. Kein bisschen. Nicht mal mit Thermo-Infrarotkameras, die jeden Temperaturunterschied registrieren, kann man sie auf dem Eis entdecken.
In Strümpfen schleiche ich in ihr Wohnzimmer. Riecht es hier nicht ein bisschen komisch? Sie hat es sich gemütlich gemacht, wie man in alten Filmen dazu gesagt hätte. Ich bin angespannt und setze mich ziemlich weit von ihr entfernt auf die andere Seite des apricotfarbenen Sofas.
Sie versucht mein überraschendes Fremdeln zu überspielen und fängt an zu füßeln. Ausgerechnet. Mit ihren Zehen fährt sie an der Innenseite meines Hosenbeins entlang. Krampfhaft versuche ich die Fußsohlen auf dem
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