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Betrügen lernen

Betrügen lernen

Titel: Betrügen lernen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Bartens
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eigentlich in Ruhe lassen. Aber auf Kongressreisen gelten andere Gesetze. Ich erwarte einen Vortrag zu den schädlichen Auswirkungen des Rauchens von ihr. Stattdessen erzählt sie, dass sie kürzlich einen Mann kennengelernt hat. Offenbar einen Charmeur, intelligent, humorvoll, gebildet, Jeanstyp, aber auch parkettsicher. Wie sie ihn beschreibt, klingt das so, wie sich die Leute in den Kontaktanzeigen in der »ZEIT« immer selbst anpreisen. Fehlt nur noch, dass er neben der Proust-Gesamtausgabe auch die Eigenschaft besitzt, ein Typ zum Pferdestehlen zu sein. Ich weiß gar nicht, warum man Pferde stehlen soll, wenn man jemanden mag. Ich mag keine Pferde, stehlen darf man die bestimmt auch nicht, und die lassen sich ja auch nicht so leicht verstecken, aber egal.
    Die beiden sind jedenfalls vor Kurzem zusammen abends weggegangen, so viel kann ich aus Jasmins Erzählungen rekonstruieren. Es war sehr romantisch, sagt sie, schaut dabei sehnsüchtig, und auf dem Weg zu seinem Auto habe sie nervös geraucht. Kaum hatte sie ihre Zigarette weggeworfen, habe ihr der parkettsichere Jeanstyp zum Pferdestehlen so ein kleines, fieses Kaugummi gegeben, auf dem ganz groß auf die zahnreinigenden und atemerfrischenden Eigenschaften hingewiesen wird, wahrscheinlich stand da auch: Lässt Mundgeruch im Nu verfliegen. Das hat den Zauber zwischen den beiden irgendwie zerstört, sagt sie. Seitdem hat er sich nicht mehr bei ihr gemeldet, nicht mal zum spontanen Pferdestehlen.
    Sie sitzt auf der Treppe und raucht. Sie will gerade wieder einen Zug nehmen, da kommt meine Chance. Ich sage sanft zu ihr: »Ich verstehe dich«, nehme ihr die Zigarette aus dem Mund und küsse sie auf die Lippen. Ich habe das mal in einem Film gesehen, da ging das prima. Einen Moment lang überlege ich, ob ich auf diese Weise den Rauch inhaliere, den sie vermutlich gerade ausatmen wird, man weiß ja mittlerweile viel über die immensen Gefahren des Passivrauchens. Ich küsse sie trotzdem.
    Und es klappt. Ich bin zwar keiner zum Pferdestehlen, aber zum Zigarette-aus-dem-Mund-nehmen, eigne ich mich hervorragend. Und da Clara mich auch nach meiner einschneidenden Operation an der empfindlichsten Stelle nicht mehr beachtet als vorher, bin ich mittlerweile zu allem entschlossen, sogar zum Kuss mit einer Raucherin.
    Jasmin lacht, macht aber trotzdem ein bisschen mit beim Küssen, wobei sie eher spielerisch statt leidenschaft lich an die Sache – sprich: meinen Mund – rangeht. Ich lege eine Pause ein, wir schweigen, dann küsse ich sie noch mal, kurz bevor sie einen Lungenzug nehmen will. Ich bin jetzt schon ein ziemlich geübter Zigarette-aus-dem-Mund-Nehmer.
    Sie nimmt das so hin, erzählt mir dann aber ausführlich von einem anderen Mann, der sich nicht mehr bei ihr gemeldet hat, nie mehr. Sie hat ihn bei einer dieser schrecklichen Ü-30-Partys kennengelernt. »Na, auch hier zum Resteficken?«, hat er damals zu ihr gesagt. Sie verschluckte sich und war erst ein bisschen geschockt über seinen derben Spruch. Aber der war so selbstironisch gemeint, denn er hielt sich ja offenbar auch für einen Teil des nicht mehr vermittelbaren Restes. Sie verliebte sich spontan in ihn. An dem Abend ließ sie sich mit ihm treiben, aber dann rief er nie wieder an.
    Jasmin erzählte, ein anderer habe bei einer Verabredung als Erkennungszeichen eine Zeitschrift vorgeschla gen. Als sie sich trafen, hatte er dann tatsächlich eine Zeit schrift dabei, die auf dem Titel ankündigte: »Mit großem Männerteil.« Auf dem Cover war dann eine Art Lasche angebracht, und wenn man die anhob, sah man einen Mann mit einem ziemlich großen Teil. Der Typ lachte sich scheckig über diese originelle Lesertäuschung, woraufhin sie nie wieder anrief.
    »Weißt du eigentlich, dass es für eine Frau jenseits der 35 wahrscheinlicher ist, vom Blitz erschlagen zu werden, als noch einen Mann fürs Leben zu finden?«, sagt Jasmin.
    Ich kenne mich mit Blitzen nicht so gut aus und misstraue dieser Statistik auch, also nicke ich nur grummelnd und sage weiter nichts. Wir schweigen, dann wieder ein Kuss.
    Jasmin hat noch mehr Männergeschichten auf Lager. Da war ein Kerl, mit dem sie sogar mal ein paar Monate zusammen war. Ein seltsamer Bursche. War wohl früher mal der ganz große Verführer, aber während ihrer Zeit als Paar bekam er anscheinend jedes Mal so ein seltsames Ganzkörperzittern, wenn sie miteinander zärtlich werden wollten. Ich vermute ein beginnendes neurologisches Leiden und warte, ob auch bei ihm

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