Betrügen lernen
Milchkaffee ans Bett gebracht und sie mit Prinzenrollen-Keksen verwöhnt, die man gut eintunken kann. Das ist eine subtile Andeutung, dass ich auch gerne etwas mehr von ihr verwöhnt werden würde, aber hauptsächlich geht es mir natürlich um sie. Das reichte ihr bald nicht mehr, ich sollte sie auch noch massieren. Und wenn ich sie massierte, dann fühlte sie sich wohl. Und wenn sie sich wohlfühlte, dann war sie mir ein wenig gewogener. Und wenn sie mir gewogen war, dann wusste man nie, was passierte. Meistens schlief sie aber ein während der Massage, weil das ja so schön entspannend für sie war. Mit meinem Geschenk werde ich sie an diese schönen Zeiten erinnern.
Ich schaue mich also nach einem passenden Massageöl für uns um. Vorsichtig, ich habe keine Lust auf untersetzte Herren mit Sonnenbrillen, die mit ihren Knöpfen im Ohr aussehen wie Teddybären. Immerhin bin ich in Paris, und vielleicht haben sie es ja in der Metropole der Amouren und Affären geschafft, den Duft der Liebe in kleine Flakons abzufüllen und auch für die Momente zu konservieren, in denen man nicht mehr Sacré-Cœur, die Seine oder Montmartre im Rücken hat, sondern wieder im heimischen Stellungskrieg auf ein paar Zentimeter Raumgewinn hofft. Vielleicht kann ich Clara ja damit betören, und sie zerfließt vor Sinnenlust. Die letzte Flasche hatte ich ihr aus Chemnitz mitgebracht, der strenge Ostduft war aber nicht so ein Erfolg. Und wenn es bei Clara nicht wirken sollte, wer weiß, dann finde ich womöglich noch anderweitig Verwendung dafür.
Eine Essenz aus »verbotenen Gärten« oder mit »verbotenen Früchten«, so genau verstehe ich das französische Etikett nicht, steht im Regal vor mir. Es riecht jedenfalls schwer nach überreifem Obst und auch ein bisschen schwül. Außerdem ist alles hier sehr öko. Ich bin durch Zufall in einer biologischen Duftschmiede gelandet. Jedes Wässerchen ist hier mitsamt seinen umweltverträg lichen Abbauprodukten zertifiziert und mit grünen Stempeln versehen. Wahrscheinlich ist das Massageöl auch biologisch abbaubar und könnte sogar abgeleckt oder getrunken werden.
Ich nehme das verbotene Zeug und außerdem ein Fläschchen, von dem ich glaube, dass es sich »Geheimnis se des Orients« nennt, und dessen Inhalt offenbar nach streng veganischen Prinzipien zusammengemischt ist. Hier wurde nicht geerntet, sondern nur aus herabgefallenen Früchten und aus vom Stängel gewehten Blüten ein Gebräu hergestellt, das ohne Flugreise oder Überseetransporte an seinen Verkaufsort gelangt ist. Ich freue mich jetzt schon darauf, die edlen Tropfen bald in Claras warme Schultern einwalken zu dürfen.
Zu Hause ist das nämlich so. Wenn Clara eventuell doch ein ganz klein wenig Lust auf Nähe verspürt, dann sagt sie nicht profan: »Lass uns kuscheln«, oder noch plumper: »Ich habe Lust, mach dich nackig«, sondern sie fordert: »Du könntest mich eigentlich noch ein bisschen massieren.« Ich muss dann ihren Rücken und ihren Nacken kneten, aber sobald sich meine Hände nur ein bisschen unterhalb ihrer Schulterblätter bewegen, sagt sie streng: »Nur oben!« Danach folgt immer die Bemerkung: »An den Schultern und im Nacken bin ich besonders verspannt«, was man durchaus als Befehl verstehen kann, nicht nachzulassen.
Ich bin hingegen eher so der ganzheitliche Typ und versuche in der Massage ihren Körper vollständig einzubeziehen. Ich fange damit an, die Rückenpartien, den gestreckten Aufrichtmuskel, die Rückseiten ihrer Oberschenkel und natürlich auch die Waden zu bearbeiten. Am besten massiere ich gegenläufig, das verschafft mir einen guten Rhythmus. Ich kaufe noch eine dritte Flasche, die heißt »Elixiere der Sünde« oder so ähnlich, aber bestimmt werde ich mich nie trauen, dieses Teufelszeug bei Clara auszuprobieren, es sei denn, ich entferne vorher das Etikett.
Zurück im Hotel, will ich meine Einkäufe ins Zimmer bringen und dann vielleicht noch ein wenig in der Lobby entspannen. Wer weiß, welche süße Französin dort auf mich wartet. Doch in der Lobby steht keine Französin, sondern – Valerie. Ich hatte sie nicht mehr gesehen seit unserem Zwischenfall an der Bar in Rostock und nicht damit gerechnet, sie auf der Tagung in Paris wieder zu treffen. Doch jetzt steht sie vor mir, groß und schlank und bezaubernd, einfach umwerfend und mit diesem Blick, der sagt, ich weiß, dass du weißt, dass ich weiß. Dass sie kurzzeitig den Erfolg meiner Operation gefährdet hat, ist längst verziehen.
Sie
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