Betrügen lernen
reckt keck ihre Brüste in die Höhe und bestellt zwei Cocktails für uns, bevor ich ein Wort gesagt habe. Kaum sitzen wir in den dunkelroten Ledersesseln, fängt sie an: Sie wirft die blonden Haare temperamentvoll nach hinten, legt den Kopf schief, entblößt den bronzefarbenen Hals, schürzt die Lippen wie Roger Willemsen auf Lesereise, dann leckt sie mit der Zunge über ihre Lippen, erst oben, dann unten, langsam hin und her. So viele eindeutige Bereitschaftssignale auf einmal kann ich gar nicht verarbeiten. Ich weiß nicht, wo ich zuerst hinschauen soll. Es ist so, als feuere sie die ganzen Erkenntnisse unseres Forschungsgebietes in wenigen Minuten am eigenen Leib ab. Jetzt rekelt sie auch noch im Sessel herum, sodass sich ihr Oberkörper immer wieder vorteilhaft vom Lederpolster abhebt. Ich bin verlegen.
»Eigentlich wollte ich erst meine Einkäufe ins Zimmer bringen«, sage ich und stammele fast dabei. Tolle Idee, ihr von meinen Einkäufen zu erzählen, aber ich weiß nicht, was ich sonst sagen soll, ich bin nicht der elegante Unterhalter, und deshalb schaue ich jetzt erst mal schüchtern auf den Boden.
»Oh, ich liebe es so sehr, in Paris einzukaufen«, jubiliert sie. »Es ist so wunderbar und inspirierend, diese Stadt ist fantastisch und macht einfach alles möglich, alles.« Dabei lehnt sie sich zu mir herüber und fasst mir auf den Unterarm. Ich glühe.
»Ja, das ist wohl so.« Etwas Originelleres fällt mir im Moment nicht ein. Ich Blödmann.
»Komm, wir bringen die Einkäufe schnell nach oben, ich begleite dich.«
Schon hat sie meine Taschen genommen und ist in Richtung Treppe gegangen. Ich tappe hinterher wie in Trance.
»Welches Zimmer?«, fragt sie.
»206, zweiter Stock.« Mann, bin ich gerade vernagelt! In welchem Stockwerk sollte sich Zimmer 206 denn wohl sonst befinden, im sechsten?
Sie geht vor mir die Treppe hoch, und ihr kurzer Rock wogt aufregend mit jedem Schritt auf den Stufen in dem nur spärlich beleuchteten Treppenhaus hin und her. Bin ich betrunken, oder warum schwankt das so? Sie ist vor mir bei meinem Zimmer angekommen und bleibt direkt vor der Tür stehen. Ich muss sie fast beiseitedrängen und ihr schon sehr nahe kommen, um aufschließen zu können. Wie gut sie riecht! Ihr Körper scheint Sinnlichkeit geradezu auszuströmen, ohne dabei vulgär zu sein. Hat sie vielleicht in einer Parfümerie den Duft entdeckt, in dem die Liebeslust in Flakons und Fläschchen gebändigt worden ist?
Ich stelle meine Tüten auf den Boden, ziehe die Jacke aus und überlege, ob ich ihr kurz ein Getränk aus der Minibar anbieten soll oder ob wir gleich wieder in die Lobby gehen sollen.
»Fanta, Cola, Apfelschorle, Bitter Lemon«, murmele ich vor mich hin, und wahrscheinlich wäre ich der erste Mann, der eine Frau mit Apfelschorle herumbekommen hätte.
»Darf ich?«, fragt sie, aber sie wartet die Antwort gar nicht ab, sondern hat schon meine Taschen genommen und mit dem Auspacken angefangen.
»Aaah, wunderschön, dieser Stoff. Wie ich diese Frau beneide, der du dieses wunderbare Seidenhemd mitbringst. Die Glückliche!«
Sie wühlt noch ein bisschen in der Tasche herum, dann lacht sie beglückt und holt triumphierend eine Flasche hervor. »Massageöl?«
Sie steht nah vor mir, sehr nah. Näher als Menschen in einem Aufzug, wenn sie jedes Gespräch einstellen. Diese Distanz zeichnet den Menschen gegenüber allen anderen Tieren aus, er möchte Abstand halten, seine persönliche Entfernung zum Nächsten gewahrt wissen, mit Ausnahme von ganz wenigen Situationen. Jetzt verlagert Valerie ihr Gewicht von einem Bein auf das andere. Ich könnte sie küssen, aber besser wäre es, wir gingen jetzt schnell wieder in die Lobby.
»Ich muss mal schnell verschwinden«, sagt sie – und schon hat sie die Badezimmertür hinter sich abgeschlossen. Puh, die heikelste Situation ist überstanden. Ich zupfe die Decke des Bettes zurecht, wende mich zur Tür. Sie wird ja bald kommen.
»Komm schon«, sagt sie. »Massiere mich.«
Valerie steht in der Badezimmertür. Und sie hat nichts an, das heißt fast nichts, sie hat nur die Unterwäsche angelassen. Schwarz und transparent mit Spitzen, die Variante, die ich am liebsten mag. Und wie beeindruckend und ebenmäßig ihr Körper ist!
Wenn ich das gewusst hätte und zu Hause wäre, hätte ich vorher eine Rennradtour gemacht, um mich ein wenig zu beruhigen. Und zwar eine anstrengende Bergetappe. Ich habe einen neuen, ergonomisch geformten Sattel, der passt sich angeblich
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