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Betrug und Selbstbetrug

Betrug und Selbstbetrug

Titel: Betrug und Selbstbetrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Trivers
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davon ausgehen, dass eine frühzeitige Bindung an Fairness oder Gerechtigkeit uns während unseres ganzen Lebens dabei hilft, die Wahrheit über die gesellschaftliche Realität zu erkennen. Haben wir uns einer Pseudo-Gerechtigkeit verpflichtet, ergeben sich natürlich unter Umständen genau die gegenteiligen Effekte. Man kann eine angebliche Verpflichtung zur Gerechtigkeit defensiv einsetzen – zum Beispiel, um zu verhindern, dass Kenntnisse von außen in das eigene Fachgebiet vordringen – und sich damit weiter von der Wahrheit entfernen, wie wir es am Fall der Kulturanthropologie noch genauer erfahren werden. Wie ich bereits dargelegt habe, kann Glauben durch Verhalten ausgelöst werden, aber damit bleibt immer noch die Frage, was das Verhalten ursprünglich überhaupt verursacht – der gerechte oder der ungerechte Standpunkt.
    Der Erfolg der Naturwissenschaften gründet auf Selbsttäuschungs-Verhinderungs-Mechanismen
    Eine wichtige Grundlage für den Erfolg der Naturwissenschaft ist offenbar eine Reihe inhärenter Vorrichtungen, die uns an jeder Ecke vor Täuschung und Selbsttäuschung bewahren. Zunächst einmal soll alles ausdrücklich erklärt werden. Berühmte mathematische Beweise (Gödels Theorem) beginnen mit einer Liste aller Symbole und ihrer Bedeutungen. In der Sozialwissenschaft dagegen gedeihen ganze Unterdisziplinen in den Lücken, die schlecht definierte Begriffe hinterlassen. Naturwissenschaftliche Arbeiten sollen ausdrücklich in allen Einzelheiten einschließlich ihrer Begrifflichkeit und Methodik beschrieben werden, damit die Arbeit in ihrer Gesamtheit von jedem anderen präzise nachvollzogen werden kann. Das ist die wichtigste Vorrichtung gegen die Unwahrheit: Man wiederholt Arbeiten und beobachtet, ob sich die gleichen Ergebnisse zeigen. Man denke an die vielen faszinierenden Betrügereien, die entlarvt wurden, weil sie diese erste Hürde nicht nehmen konnten; ein Beispiel ist die Gewinnung von Atomenergie durch kalte Fusion. Umfassende Schwindeleien wie die Psychoanalyse schließen eine experimentelle Überprüfung natürlich von vornherein aus (und stützen sich stattdessen auf die soliden Befunde klinischer Anekdoten). Die Anforderung, dass eine exakte Beschreibung eine exakte Wiederholung ermöglichen muss, gilt nicht nur für die experimentelle Arbeit, sondern für jede Methode des Datensammelns, durch die sich interessante Gesetzmäßigkeiten herauskristallisieren sollen.
    Experimente werden unter kontrollierten Bedingungen angestellt, das heißt, man hält bestimmte entscheidende Variablen konstant und/oder wandelt sie auf logische, systematische Weise ab. Die Ergebnisse werden dann einer statistischen Analyse unterworfen, deren Methoden in den letzten 100 Jahren stark verfeinert wurden. Heute kann man in sehr komplexen Datenbeständen mit strengen Methoden nach Informationen suchen, die man für statistisch signifikant hält. Nach allgemeiner Übereinkunft gelten Daten, die in mehr als fünf Prozent der Fälle durch Zufall entstehen können, als unzuverlässig. Wenn es um wichtige Befunde wie beispielsweise medizinische Erkenntnisse geht, bevorzugen wir eine Fehlerquote von höchstens einem Prozent. Und schließlich kann man eine große Zahl ähnlicher Studien einer Metaanalyse unterwerfen und damit untersuchen, welche statistisch begründeten allgemeinen Aussagen man über das gesamte Spektrum der Befunde machen kann. Alle diese Einzelschritte vermindern die Gelegenheiten für Täuschung und Selbsttäuschung. Außerdem schaffen sie die Möglichkeit, Informationen nach dem Grad ihrer Zuverlässigkeit (statistische Signifikanz) und der Größe ihrer Auswirkungen (schwach oder stark) in einer Rangliste anzuordnen.
    Die Feuerprobe für naturwissenschaftliche Erkenntnisse ist ihre Fähigkeit, Aussagen über die Zukunft und bisher unbekannte Tatsachen zu machen. Ja, Licht wird tatsächlich durch Gravitation abgelenkt (wie von Einstein vorhergesagt); 1 bei einer Sonnenfinsternis verändert sich die scheinbare Position von Sternen im benachbarten Hintergrund durch die Gravitation der Sonne. Das gleiche Prinzip gilt auch für viel bescheidenere Arbeiten. Dass Ameisen (im Gegensatz zu nahezu allen anderen Tieren) im Verhältnis von 1 : 3 in die beiden Geschlechter investieren, wurde zunächst allein aufgrund von Verwandtschaftsanalysen vorausgesagt (die Ameisenweibchen, die dieses Verhältnis herbeiführen, sind anders als bei fast allen anderen Tierarten mit ihren Schwestern dreimal so eng

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