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Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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nahm sie nicht einmal richtig wahr.
    Ich war allein.
    Wir passierten von neuem das ganze Sicherheitssystem und traten aus dem Gefängnis hinaus in den kalten, hellen Washingtoner Sonnenschein.

 
    18
    Diana Covington:
    Albany
     
    Ich blinzelte und schloß die Augen vor dem blendenden Glanz einer Wand, die übertrieben weiß schien. Eine Sekunde lang konnte ich mich nicht erinnern, wo ich war und wer ich war. Als diese Information zurückkehrte, setzte ich mich auf – zu rasch: die kurze Blutleere in meinem Gehirn brachte das Zimmer zum Schwanken.
    »Wie geht’s?«
    Eine dicke Frau mittleren Alters mit einem freundlichen Gesicht und tiefen Falten zwischen Nase und Mundwinkeln. Minimale GenMods, wenn überhaupt, aber keine Nutzerin. Sie trug die Uniform einer Sicherheitsbeamtin und eine Waffe.
    »Welcher Tag ist heute?« fragte ich.
    »Der zehnte Dezember. Sie sind seit vierunddreißig Tagen hier.« Sie sah die Wand an und sagte: »Doktor Hewitt, Miss Covington ist wieder bei uns.«
    Wieder bei uns. Und wo war ich gewesen? Schon gut, ich wußte es ohnedies. Ich saß auf einem weißen Krankenhausbett in einem weißen Krankenhauszimmer, das mit medizinischen und sicherheitstechnischen Überwachungsgeräten ausgerüstet war. Unter dem weißen Wegwerfhemd waren meine Arme und Beine und mein Bauch mit kleinen durchscheinenden gehärteten Tropfen Blutstiller übersät. Irgend jemand hatte mir viele, viele Blutproben abgenommen.
    »Lizzie? Billy? Die Nutzer, die mit mir zusammen herkamen, es waren drei…«
    »Doktor Hewitt wird in einer Minute da sein.«
    »Lizzie, das kleine Mädchen, sie war krank, ist sie…?«
    »Doktor Hewitt wird in einer Minute da sein.«
    In einer Minute war er da. Zusammen mit Kenneth Emile Koehler. Augenblicklich bekam ich einen klaren Kopf.
    »Also gut, Doktor Koehler. Was hat Huevos Verdes mit mir aufgeführt?«
    Meine Direktheit schien nicht unerwartet zu kommen. Warum auch? Wir hatten immerhin vierunddreißig Tage intimer Konversation miteinander verbracht, und an keinen einzigen davon konnte ich mich erinnern. Er sagte: »Man hat Ihnen verschiedene Arten von Nanotechnik injiziert, von denen einige auf der Basis von genveränderten Organismen aufgebaut sind, in erster Linie Viren. Bei anderen handelt es sich offenbar um reine Maschinen, Atom für Atom zusammengesetzt, die sich in Ihren Zellen eingelagert haben. Die meisten davon scheinen reproduktionsfähig zu sein. Einige, nehmen wir an, sind mit einem zeitgesteuerten Auslöser für die spätere Vermehrung versehen. Wir sind dabei, alles zu studieren und zu versuchen, den genauen Charakter der…«
    »Was machen die Maschinen? Was hat sich in meinem Körper verändert?«
    »Das wissen wir noch nicht.«
    »Sie wissen es nicht?« Ich hörte, wie schrill meine Stimme klang. Es war mir egal.
    »Nicht vollständig.«
    »Und Lizzie Francy? Billy Washington? Lizzie war krank…«
    »Ein Teil der Spritze, die Sie erhalten haben, bestand aus dem Zellreiniger, das wissen Sie ja bereits. Aber der Rest…« Ein sonderbarer Ausdruck flog über Doktor Hewitts Gesicht, grollend und sehnsüchtig. Aber ich wollte mich nicht mit seinem Gesichtsausdruck beschäftigen. Ich verspürte plötzlich eine Anwandlung von Hysterie, von der Art, die einem das Gefühl verleiht, die nächsten fünf Minuten nicht zu überleben ohne den Erhalt von bestimmten Informationen, die man bereits weitere fünf Minuten später als uninteressant vergißt.
    »Herr Doktor – was, glauben Sie, bewirken diese verdammten Injektionen?«
    Seine Miene wurde unzugänglich. »Wir wissen es nicht.«
    »Aber Sie müssen doch irgend etwas wissen!«
    Ein Rob rollte durch die Tür. Er hatte die Gestalt eines Tisches, versehen mit einem überflüssigen Gitter, das ein rundes, lachendes Gesicht aus ihm machen sollte. Auf der Platte stand eine flache Schale mit einem Deckel. »Mittagessen für Zimmer 612«, sagte der Rob. Ich roch Brathuhn, Reis – und zwar echtes Brathuhn, echten Reis, nicht SojSynth; Dinge, die ich seit Monaten nicht gehabt hatte. Plötzlich verspürte ich einen Mordshunger.
    Alle sahen mir zu beim Essen. Sie sahen mir mit besonderer Aufmerksamkeit zu, was mir auch egal war. Hähnchensaft tropfte mir übers Kinn, Reiskörner fielen mir von den Lippen; die Erregung, mich in dickes, herrliches Fleisch zu verbeißen, brachte mein Zahnfleisch zum Prickeln. Frische, süße Erbsen, pikantes Apfelmus. Ich fraß voller Gier in mich hinein, und die Gier fraß mich. Egal, wie groß die

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