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Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Menge, es konnte einfach nicht genug sein.
    Als ich fertiggegessen hatte, legte ich mich seltsam erschöpft zurück auf die Kissen. Hewitt und Koehler zeigten einen identischen Gesichtsausdruck, den ich nicht deuten konnte. Es folgte ein langes, gewichtiges Schweigen – sinnloserweise, wie mir schien.
    »Und was jetzt?« erkundigte ich mich. »Wann werde ich vor Gericht gestellt?«
    »Nicht notwendig«, sagte Koehler. Seine Miene war nach wie vor undurchdringlich. »Es steht Ihnen frei zu gehen, wann immer es Ihnen beliebt.«
    Meine plötzliche Erschöpfung verflog ebenso plötzlich wieder. So funktionierte das System nicht! »Man hat mich wegen Behinderung der Justiz verhaftet, wegen Verschwörung zum Sturz der…«
    »Die Anklage wurde fallengelassen.« Hewitt, diesmal. »Es steht Ihnen frei zu gehen.« Es war, als hätten sie Rollen getauscht. Oder als wären die Rollen mit einemmal belanglos geworden.
    Ich lag still und überlegte. »Ich hätte gern ein Nachrichtenholo.«
    Koehler wiederholte Hewitts Worte: »Es steht Ihnen frei zu gehen.«
    Ich schwang die Beine aus dem Bett. Formlos hing das Krankenhaushemd an mir herab. In großen Augenblicken werden kleine Dinge wichtig; auf diese Weise sorgt die Welt dafür, daß wir belanglose Menschlein bleiben. »Wo sind meine Kleider?« fragte ich – gerade so, als wollte ich den dreckigen, billigen Overall und die Parka, die ich zuletzt getragen hatte, wiederhaben!
    Natürlich würde ich Körpermonitoren in mir haben; subkutane Peilsender, radioaktive Blutmarker, weiß Gott, was noch alles. Ich würde sie nie entdecken.
    Ein Rob brachte meine Kleider. Ich zog sie an, und es war mir absolut gleichgültig, daß die beiden Männer danebenstanden und mir dabei zusahen. Die Regeln des täglichen Lebens galten nicht mehr.
    »Und Lizzie? Billy?«
    »Sie haben uns vor zwei Tagen verlassen. Das Kind ist wieder völlig gesund.«
    »Wohin sind sie gegangen?«
    »Diese Informationen haben wir nicht«, sagte Koehler. Er log. Seine Informationen standen mir nicht mehr zur Verfügung. Ich war ausgeklinkt aus dem staatlichen Netz.
    Ich drehte mich um und ging aus dem Zimmer; ich rechnete damit, auf dem Korridor angehalten zu werden, vor der Aufzugtür, in der Eingangshalle. Ich trat durch das Tor ins Freie; es war absolut niemand zu sehen. Niemand kam über den Parkplatz, niemand eilte die Stufen herauf, um einen Bruder oder eine Ehefrau oder einen Geschäftspartner zu besuchen. Ein Rob stutzte den Rasen, der für meine East-Oleanta-Augen geradezu aggressiv GenMod-grün aussah. Die Luft war weich und lau. Die Frühlingssonne sandte schräge Strahlen hindurch und warf lange Spätnachmittagsschatten. Ein Kirschbaum trug duftende rosa Blüten. Meine Parka war viel zu schwer; ich zog sie aus und ließ sie auf den Gehsteig fallen.
    Während ich die ganze Länge des Gebäudes entlangging, fragte ich mich, was ich wohl als nächstes tun würde. Ich war ehrlich neugierig, aber auf eine so abgehobene, distanzierte Weise, daß es mir Warnung hätte sein müssen, wie stumpf und starr mich mein getrübtes Bewußtsein bereits gemacht hatte. Die Realität konnte mich nur am Rande interessieren, nicht wirklich überraschen. Und selbst das Interesse war fraglich. Der nächste Schritt wäre Katatonie gewesen.
    Ich erreichte das Ende des Gebäudes und bog um die Ecke. Ein Zubringerbus stand dort, kompakt und grün wie das genmodifizierte Gras. Die Tür stand offen. Ich stieg ein.
    »Kreditchip, bitte«, sagte der Bus.
    Meine Hände suchten in den Tiefen der Overalltaschen. Da steckte ein Kreditchip – kein Nutzer-Chip für Gratismahlzeiten, sondern ein Macher-Chip. Ich steckte ihn in den Schlitz.
    »Vielen Dank«, sagte der Bus.
    »Auf welchen Namen lautet der Chip?« fragte ich.
    »Die gewünschte Information übersteigt die Kapazität dieses Gerätes. Bestimmungsort, bitte. Civic Plaza, Hotel Scheherazade, Ioto-Hotel, Hauptbahnhof-Gravbahn oder Excelsior Square?«
    »Hauptbahnhof-Gravbahn.«
    Die Tür des Busses schloß sich.
    Am Bahnhof herrschte ziemlicher Betrieb: Nutzer in bunten Overalls und ein paar Macher von den staatlichen Behörden. Dies war immerhin Albany, die Hauptstadt des Staates. Alle Leute hier schienen in Eile zu sein. Ich betrat die Gouverneur-John-Thomas-Lividini-Hauptbahnhofs-Cafeteria. Drei Männer hockten in einer Ecke beisammen, vertieft in ein Gespräch. Das Förderband stand still. Auf dem Holo lief ein Rollerrennen, aber keiner der Männer blickte auf, als ich auf einen

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