Bettler 02 - Bettler und Sucher
Macher-Kanal schaltete.
»… breitet sich in den Staaten des Mittleren Westens und des Südens weiter aus. Da das künstlich hergestellte Virus von so vielen Tierarten – einschließlich aller Vögel – übertragen werden kann, empfiehlt das Zentrum für Seuchenkontrolle dringend, jeglichen Kontakt mit wildlebenden Tieren zu vermeiden. Da die Krankheit auch beim Kontakt von Mensch zu Mensch höchst ansteckend ist…«
Ich wechselte den Kanal.
»… lückenlose Handelssperre verhängt, wodurch die Einfuhr von Gütern, aber auch der Reise- und Postverkehr von Nordamerika nach Frankreich zum Erliegen kommen. Was andere Länder betrifft, so hat die Angst Frankreichs vor einer Verseuchung zu einer Hysterie geführt, die…«
Ich wechselte den Kanal.
»… anscheinend beendet. Wissenschafter am Massachusetts Institute of Technology haben eine Erklärung veröffentlicht, wonach die Zeitschaltung der Nanomechanismen des Duragem-Spalters nicht ihren vorprogrammierten Ablauf genommen, sondern im Lauf der Zeit versagt hat, was auf Fehler in den Wechselwirkungen innerhalb ihrer komplexen Konstruktion zurückzuführen ist. Der Direktor der Abteilung für Gentechnik Myron Aaron White sprach mit uns in seinem Büro im…«
Ich wechselte den Kanal.
»… chronische Nahrungsmittelknappheit. Dennoch wird erwartet, daß sich die Situation nunmehr als Folge einer Entspannung der sogenannten Duragem-Spalter-Krise bessern wird. Diese Entspannung ist offenbar zurückzuführen auf…«
Eine Stunde lang sah ich zu. Die Hungersnot ließ nach, die Hungersnot verschärfte sich. Die künstlich hervorgerufene Seuche breitete sich aus; die künstlich hervorgerufene Seuche konnte eingedämmt werden. Der Rest der Welt war durch amerikanische Güter und Reisende infiziert worden; der Rest der Welt zeigte nur geringe Anzeichen der Duragem-Verseuchung oder der ›Wildtier-Pest‹. Es gab weniger technische Gebrechen, die auf den Duragem-Spalter zurückzuführen waren; es gab mehr technische Gebrechen in gewissen Landesteilen, aber die Forscher standen unmittelbar vor einer Lösung des Problems, welches im Hinblick auf die rasant fortschreitende Entwicklung dieser Wissenschaft tatsächlich schwer zu durchschauen war. Experten erwarteten jedoch demnächst einen entscheidenden Durchbruch. Albany blieb Albany.
Aber nicht ein einziges Mal wurde eine Untergrund-Organisation von Nanotech-Saboteuren erwähnt. Nicht ein einziges Mal wurde die Übergrund-Organisation Huevos Verdes erwähnt. Die Super-Schlaflosen hätten genausogut gar nicht existieren können. Ebensowenig wie Miranda Sharifi.
Ich ging hinüber zu dem Tisch in der Ecke, an dem die Männer saßen. Sie sahen auf ohne zu lächeln; ich trug einen lila Overall und GenMod-Augen. Überflüssig, an meinen Gürtel zu tasten, um zu sehen, ob ein Personenschild daran hing. Es würde einer da sein; Koehler wollte, daß ich am Leben blieb. Ich war ein teures wandelndes Labor.
»He, Männer, wißt ihr, wie ich am besten nach Eden komme?«
Zwei Gesichter blieben feindselig; im dritten, dem jüngsten, begannen die Augen zu flackern und die Mundwinkel entspannten sich. Ich wandte mich an ihn: »Bin krank, ich. Hat mich wohl erwischt.«
»Harry, die is’‘ne GenMod!« sagte der älteste der Männer. Nichts in seinem Tonfall ließ auf Angst vor einer Infektion schließen.
»Wenn sie doch krank is’, die«, sagte Harry. Seine Stimme war älter als sein Gesicht.
»Man weiß nich’, wer…«
»Also, Sie gehen direkt zum Sonnenschein-Automaten am Bahnsteig zwölf. Dort is’ ne Frau, die hat ‘n Halsband mit lauter Sternen drauf. Un’ die, die bringt Sie zum Eden.«
›Zum‹ Eden. Zu einem von vielen. Vorsorglich eingerichtet von Huevos Verdes: Technik, Verteilung, Informationsverbreitung, alles Drum und Dran. Und die Nutzer-Geheimhaltung, wenn man es so nennen konnte, bestand nur in einem sanften Protest seitens Harrys Genossen, was hieß, daß sich die Regierung nicht einmischte. Mir war ganz schwindlig.
Auf dem langen Weg zu Bahnsteig zwölf begegnete ich nur vierzehn Personen, zwei davon Macher-Techs. Ich sah keinen Zug den Bahnhof verlassen. Ein PutzRob stand reglos an der Stelle, wo er defekt geworden war, aber es lagen nirgendwo Limodosen, halb gegessene Sandwiches, GenMod-Äpfelreste oder Hüllen von SojSynth-Schokoriegeln. Ohne das alles sah der Bahnhof nach Machern aus und nicht nach Nutzern.
Auf dem Boden neben dem Sonnenschein-Automaten saß eine geduldig wirkende Frau in
Weitere Kostenlose Bücher